Fangen wir mit EM-Patriotismus an, der sich aber nicht um Fußball dreht, sondern um die dritte Medaille bei der Schwimm-EM in Belgrad, der olympischen Generalprobe für einige, aber nicht alle Länder. Wie auch immer, nach dem Gold-Doppelpack der griechischen Import-Nixe Vasiliki Alexandri in Solobewerben, die leider in Paris nicht auf dem Programm stehen, hat Mister Butterfly Simon Bucher die Goldene über 50m Schmetterling als Zweiter in 23,19 Sekunden nur um den Wimpernschlag von 0,04 gegen den Griechen Bilas verpasst.
Die zweite Silberne für den Wahllinzer aus Innsbruck nach WM-Silber im Februar in Doha – und ein Vorschuss auf eine weitete Medaille über 100m, seiner echten Domäne. Bucher, schon in Jugendzeiten als Naturtalent gepriesen, gehört wie ein Auböck zu den besten Zeiten zur absoluten Weltklasse, die übrigens nur mit einem Bruchteil aus den europäischen Großmächten vertreten ist. In einigen Ländern finden zur gleichen Zeit mit der EM olympische Ausscheidungen statt, andere haben Landesmeisterschaften, aus Trainingsgründen kein Interesse an der Belgrad-Euro oder sind seit Jahren ausgeschlossen wie die im Schwimmbecken normalerweise starken Russen und Weißrussen.
Hier soll jetzt der eine oder andere heimische Erfolg nicht geschmälert werden, manch medial vor allem im ORF übertrieben hochgejubelten Final- oder auch Semifinalqualifikationen hätte es aber höchstwahrscheinlich kaum gegeben, wären Schwimmgroßmächte dabei und nicht absent gewesen wie Großbritannien, Frankreich, Italien, Holland, Belgien, Spanien, aber auch Schweden-Stars. Was würden auch Kollegen aus der Branche sagen, würde eine Fußball-Euro ohne diese genannten Teams stattfinden? Verzerrung der Realität, das liegt auf der Hand, auch wenn der eine oder andere Ausnahmeschwimmer (oder Synchron-Nixen) in der Auslage an das berühmte Potemkinsche Dorf erinnert, der herrlichen Fassade, hinter der es mehr als nur bröckelt. Etikettenschwindel, der da ganz bewusst und ungeniert betrieben wird in der berechtigten Annahme, dass man nur Desinteresse oder Mangel an Kenntnissen ausnützen muss, um besser dazustehen, als man ist …
Genug der Beckmesserei, was unseren Randsport betrifft, der global gesehen aber Weltsport ist, ohne sich mit Fußball messen zu können. Bleiben wir bei der Euro 2024, die uns am heutigen Abend das vielleicht dramatischste, wenn nicht bisher aufregendste und beste Match lieferte. Ein vermeintlich nebensächliches Duell zweiter Außenseiter wie den Türken, die wir zuletzt zu Beginn ihres Ramadans mit 6:1 aus den Socken geschossen hatten, und den noch weit mehr unterschätzten Georgier, von denen manch einer naserümpfend davor gemeint hatte: Was machen denn die bei einer Europameisterschaft?
Wenn ich mich recht entsinne, dann hat sich Georgien vor fast 20 Jahren auch fußballerisch zu emanzipieren versucht, indem es mit Klaus Toppmöller einen Teutonen als Teamchef ins Land holte. Er war kein Santa Claus, der aus dem Geschenk-Sack über Nacht internationale Konkurrenzfähigkeit ins Fenster hätte legen können. Aber über Legionäre in besseren Ligen, darunter auch Kiteischwili vom Double-Sieger Sturm Graz, kam neuer frischer Wind ins Nationalteam, das inzwischen vom früherem französischen Weltmeister und Bayern-Legionär Willy Sagnol betreut wird.
Am Ende eines mitreißenden Spiels, das alles hatte, was man sich im Fußball wünscht, feierten die Minuten lang eingeschnürten, mit dem Rücken zur Wand stehenden, vom Glück gesegneten, vom Schusspech oder Unvermögen der Georgier profitierenden Türken einen Last-Minute 3:1-Sieg mit einem Empty-Tor a la Eishockey, da der Tormann für einen Eckball nach vorn gestürmt war, aber nicht traf. Wer dieses Drama verfolgt hat, der weiß spätestens dann, dass sich im Fußball alles immer mehr zusammenschiebt, auch wenn die Allerallerbesten, die Cleversten und Erfahrensten am Ende dann doch das Glück zwingen.