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Dänischer Mann in Gelb: Kein Fischöl, dafür aber Ketone als neue Wundermittel

Vor wenigen Tagen noch, nach dem zweiten Etappensieg binnen 24 Stunden, wurde der 23jährige slowenische Tour-de-France-Doppelsieger (2020/21) als neuer Eddy Merckx bezeichnet, als siegeshungriger, unersättlicher Kannibale wie einst der belgische Superstar. Inzwischen ist alles anders, inzwischen gab´s eine Peripetie, inzwischen wurde der vermeintlich Unbezwingliche ganz schön entzaubert in den Alpen, noch ehe es am heutigen französischen Nationalfeiertag ins Tour-de-France-Heiligtum Alpe d´Huez geht.

Noch kann man nicht sagen: der König ist tot, es lebe der König, aber mit dem neuen Mann in Gelb, dem früheren Fischfabrikarbeiter Jonas Vingegaard aus dem flachen Norden Dänemarks wurde der Seriensieger Pogacar von keinem anderen als dem Vorjahrszweiten zumindest vorübergehend entthront. Von jenem Vingegaard, der nach den Fischen in der Fabrik diesen Broterwerb auf Eis legte, um vom Jumbo-Visma-Team vom Fleck weg engagiert zu werden.

Eigentlich als treuer Diener des zweiten slowenischen Superstars, des Ex-Skispringers Primoz Roglic (Junioren-WM-Gold im Team 2007), dreimaliger Vuelta- und Olympiasieger im Rennen gegen die Uhr, der als vermeintlich designierter Tour-Sieger vor zwei Jahren im finalen Zeitfahren von Pogacar überholt worden war. Und heuer, da Roglic vom Sturzpech geplagt ist, übernahm er sowohl die Kapitänsrolle als auch jene des Verfolgers, der sich nach dem atemberaubenden Antritt zum Col du Glandon das gelbe Trikot überstreifte – mit mehr als zwei Minuten Guthaben auf Tadej Pogacar. Und danach, das habe ich bei allem Respekt vor Teamgeist im Radfahren noch nie so eindringlich gehört, mit mehrmaliger Betonung, dass er es ohne seine Super-Mannschaft nie geschafft hätte.

Daran lässt sich nun eine ganz andere Frage knüpfen: Hat Vingegaard damit nur die aufopferungsvolle Arbeit seiner Domestiken gemeint, zu denen inzwischen auch Roglic geschrumpft ist? Oder hat er damit etwa auch die ganz offen eingestandene, bisher auch nicht verbotene ketogene Ernährung bei Jumbo Visma als probates Mittel zum Zweck angesprochen und hochgejubelt?

Und worum geht´s da eigentlich, so werden Normalverbraucher fragen, die mit Ausdauersport wenig am Hut haben? Es geht um – Ketone! Und was ist das wiederum? Nein, nein, kein Fischöl mit wundersamer Wirkung, die ein Fischarbeiter aus Dänemark mitgebracht hat. Nein, nein – Ketone sind eine neue Energiequelle für den Körper, wenn man auf eine der bisher praktizierten Nahrungsmittelzufuhr ganz bewusst verzichtet, das heißt: keine Kohlenhydrate, also Glukose – und wenn die Glykogen-Vorräte verbraucht sind, dann wird Fett verbrannt. Dabei werden Ketone (Ketonkörper) gebildet, die als Ersatzkohlenhydrate nicht nur zur Energiegewinnung dienen, sondern auch das Gewicht reduzieren. Und mit jedem Kilo weniger lässt sich dann bergwärts umso mehr Energie in die Waagschale werfen!

Wer weiß, wie gut, konsequent und schnell die Pharma-Industrie regiert und arbeitet, dem ist klar, dass sie da ein Mittel entwickelt hat, in dem Ketone als Zusatzernährung stecken. Keine bittere, sondern eine biedere Pille, die nicht auf der Doping-Verbotsliste steht, die Vingegaard und Co. also oral schlucken dürfen, während die intravenöse Zufuhr untersagt ist. Da soll sich einer auskennen. Jedenfalls eine interessante Zweischneidigkeit. Da diese Zeilen vor dem Alpe d´Huez-Klassiker verfasst wurden, bin ich schon neugierig, ob bei Vingegaard auch am Tag nach dem ersten Himmelsturm das Ketosin für eine unerschöpfliche Energiequelle sorgt. Oder das Imperium des Kannibalen Pogacar, der sich verschluckt hat, gleich wieder zurückschlägt. Für neuen Diskussionsstoff allerdings dürfte gesorgt sein…

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