Es gibt viele, nicht nur Gerechtigkeitsfanatiker, sondern auch Profis aus dem Bereich elektronischer Medien, die vom VAR, dem Video Assist Referee im Fußball, höchst angetan bis begeistert sind als technisches Mittel zum Zweck. Die ursprüngliche Idee, dank High-Tech und Auflösung der Filme in kleinste Kader eklatante und womöglich fatale, sogar finanziell weitreichende Fehlentscheidungen zu vermeiden, ist inzwischen allerdings für meine Zuschauer-Begriffe zu einem Selbstläufer der Selbstverliebtheit des unsichtbaren, für die Mehrheit anonymen VAR-Hauptdarstellers mutiert. Ja, wenn ein eindeutiges Foul-, Handspiel oder klares Abseits vor einem (Gegen-)Tor vom Schiedsrichter übersehen und nicht geahndet wurde, dann, ja dann sollte und müsste diese Form des Supervisors eingreifen, um zu verhindern, dass womöglich ein Verein absteigt, nicht aufsteigt oder finanziell lukrative Europacup-/Champions-League-Plätze verpasst.
Das, so denke ich, war ja auch die Absicht, als dieses kostspielige System eingeführt wurde, das ja demnächst auch in der heimischen Liga seine Premiere und/oder Feuertaufe erlebt. Mittlerweile geht´s beim VAR offensichtlich nicht mehr um eklatante Fehler, die er zu korrigieren hätte, sondern um allmählich geradezu lächerliche Millimeter-, Daumenkuppen- oder Zehennagel-Entscheidungen, die sich mit Mühe und Not auf penibel gezogenen Linien auf Licht und Dunkel oder Schwarz auf Weiß konstatieren lassen. Lárt pour l´art, wie der Franzose sagt oder: Kunst der Kunst halber. Oder volkstümlich: Für die Würscht! Der 1. FC Köln konnte auf Holz klopfen, dass ihm nach dem vermeintlichen, aber nach mehrmals inspizierter VAR-Analyse wieder annullierten Führungstor letztlich doch das rettende 1:0 gegen Absteiger Schalke 04 geglückt ist, sonst wäre er als zweiter Traditionsverein statt Werder in die Zweite Liga marschiert.
Wenn´s so weitergeht, wie sich die Supervisor-Dinge ganz nach US-Vorbild und American Football entwickeln, dann wird man künftig bei Fußballspielen statt 90 bis 100 Minuten vielleicht Minimum zwei Stunden veranschlagen müssen, damit der VAR auch möglichst oft einschreiten und eingreifen kann. Ich bin mir fast sicher, dass dahinter vielleicht auch der klitzekleine Hintergedanke stehen könnte, dass sich diese Einspielungen und Unterbrechungen ja auch ausgezeichnet für Werbeeinschaltungen eignen, zumindest in Form von sogenannten unterlegten Inserts. Ja, so ließen sich gleich mehrere Fliegen auf einen Schlag treffen unter dem Siegel der sportlichen Gerechtigkeit wie der verschämten Verschwiegenheit, wie schlussendlich auch die televisionären Transporteure des sportlichen Fortschrittsgedankens dabei auf ihre Rechnung kommen. Und dabei geht´s ganz sicher nicht um Daumenkuppen, Zehen- oder Fingernägel-Größen, geschweige denn um sportliche Gerechtigkeit….