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Die ziemlich undurchsichtige olympische „Fluchtgeschichte“ von Frau T.

HANDOUT - Kristina Timanowskaja, belarussische Sportlerin, und Magnus Brunner (ÖVP), Staatssekretär im Bundesministerium für Klimaschutz, am Flughafen Wien-Schwechat. Timanowskaja ist am Nachmittag von Tokio kommend in Wien eingetroffen. Foto: Florian Schrötter/BKA/APA/dpa Foto: Florian Schrötter/BKA/APA/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits

Eigentlich wollte ich mich da heraushalten und mir weder Zunge noch Finger verbrennen. Aber selbst auf die Gefahr, das das passiert, möchte ich mich dieses heißen Themas doch annehmen, das da Kristina Timanowskaja (oder Krystina Tsimanouskaja in Landessprache) heißt. Es geht, wie inzwischen hinlänglich bekannt, um jene weißrussische Sprinterin, die mittlerweile welt- und vor allem westweite Schlagzeilen geliefert hat mit ihrem Auszug statt Auftritt bei Olympia in Tokio. Und es geht dabei, wenn sie mich fragen, weniger um die vordergründig skandalisierte bis kriminalisierte Behandlung einer mittelmäßigen Sportlerin (2020 die Nr. 37 World Ranking, 200m) durch ein diktatorisch geführtes Land bzw. auch ebensolches nationales olympisches Komitee, sondern in erster Linie um Politik.

Ja, nicht anders als um Politik wie ehedem in Zeiten des Kalten Krieges auch im Sport, den meine Wenigkeit vor Jahrzehnten hautnah erlebt at, auf Deutsch also um eine Neuauflage von gutem Westen gegen den bösen Osten. In diesem Zusammenhang möchte ich vorausschicken, dass ich ehedem alles, was nach Kommunismus, Sowjetunion und unterdrückten Satelliten auch nur roch, selbst verdammt, wenn nicht verteufelt hab´ als strammer Mann des Westens und der Freiheit aus der Metzger-Familie, die 1956 ein gutes Dutzend Flüchtlinge der gescheiterten Ungarn-Revolution auf Tage, Monate, ja Jahre beherbergt hat.

Ich bin auch alles andere denn ein Anwalt des diktatorischen Präsidenten Lukaschenko oder dessen Sohnes, ganz im Gegenteil, aber irgendwie hab´ ich mich bei dieser undurchsichtigen Olympia-Geschichte beim Gedanken ertappt, dass es sich womöglich um – wie allseits bekannt, gehöre ich zu den Verschwörungstheoretikern, die aber sehr oft bestätigt wurden – von längerer Hand vorbereitete Polit-Inszenierung handelt. Hätte sich Frau Timonowskaja/Tsimanouskaya nämlich nicht geweigert, nach (Doping- oder auch nicht?) Ausfall anderer Läuferinnen mit der 4x400m-Staffel statt 200m zu laufen, nichts und niemand hätte ein Wort verloren. Aber da Frau T. bei ihrem „Njet“ geblieben und die Staffel geplatzt war, drückten ihr die Weißrussen mit einem sicher nicht freundlichen „Dawai, dawai“ das Rückflug-Ticket in die Hand.

Ja – und auf einmal begannen die medialen und politischen Mühlen zu mahlen, wobei selbstredend natürlich auch der Lukaschenko-Teufel samt NOK-Sohn an die Wand gemalt wurde. Von Entführung war da die Rede, von Flucht ins Polizei-Quartier am Airport, von heimlich-listigerer Umbuchung von polnischer auf AUA-Maschine, von Ankunft in Schwechat, Weiterflug nach Polen, wo sie politisches Asyl erhält, während der Herr Gemahl von einer Minute zur anderen sich aus Minsk nach Kiew in die aktuell prowestliche und antirussische Ukraine abgesetzt hat. Grad, dass in dieser ganzen Affäre nicht auch noch so was wie der dritte Mann an die Oberfläche kommt in einer mehr als undurchsichtigen, unsportlichen, in welcher Form immer skandalösen bis skandalisierten Geschichte.

Auch wenn ich mir den Zorn manch einseitig informierten oder orientierten Mitmenschen oder Kollegen zuziehen sollte – ich kann mich sehr wohl daran erinnern, dass auch der eine oder andere österreichische Sportler schon von Olympia ausgeschlossen und heimgeschickt wurde, weil er sich dem Willen des (Chef)Trainers widersetzt  oder sich die Rachelust eines Vorgesetzter zugezogen hatte. Aber wo kein Lukaschenko, wo keine bösen Polit-Buben, wo keine punzierten Feinde, dort hat noch nie ein Hahn danach gekräht, wenn es so was wie jetzt bei Frau T. gibt, die alles, nur keine Medaillenanwärterin gewesen, aber jetzt weltweit als olympisches (Bauern)-Opfer in aller Munde ist. Ich bin  gespannt, wie sich für sie privat und was sich daraus politisch noch alles entwickelt. Österreich war mit der AUA zwar involviert, hat sich aber außenpolitisch und sportdiplomatisch mit IOC-Mitglied und Chefolympier Karl Stoss doch herausgehalten. Schließlich kann jedes Wort in die falsche Kehler rutschen. Gerade während dieser in Corona-Hinsicht ohnehin schon einzigartigen Tokio-Spiele…

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