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Faszinosum Nadal: Mythos eines unzerstörbaren Torero, der auf in den Kampf zieht

Soll ich, soll ich nicht? Darf ich, darf ich nicht laut denken, was mich seit geraumer Zeit bewegt, nein: stört? Sie werden sich natürlich jetzt fragen: Werter Metzger, oft weniger werter kritischer Geist – was ist es, was sie wieder einmal so bewegt, dass es sie stört? Nein, nein, es hat weder mit der Thiem-Mania zu tun noch mit dem Frauenfußball-Hype oder Formel-1-Showdown in Spielberg? Nein, es dreht sich um Rafael Nadal, der nach den freudvollen, aber schmerzhaften Triumphen in Melbourne und Paris als 22maliger Grand-Slam-Turniersieger vielleicht oder vielleicht auch nicht den dritten im Jahr und womöglich auch den Season-Slam im Visier hat.

Nicht nur, weil er aus Spanien stammt, nicht vom Festland, aber aus Mallorca kommt, hatte Nadal von seinen Teenager-Jahren an mit knielanger Hose und wechselndem Kopfschmuck stets etwas von einem Stierkämpfer an sich, etwas von: Auf in den Kampf Torero, der sich so lange in den Gegner verbeißt, bis er ihn erledigt! Nadal und seine endlos lange, endlos siegreiche Karriere hat etwas von einem Helden-Epos an sich mit dem Mythos eines oft Waidwunden, der nichtsdestotrotz etwas von einem Unzerstörbaren mitbringt, einem fast schon Hingestreckten, der aber immer wieder aufsteht, um am Ende dann doch zu obsiegen. Wenn von einem modernen Gladiator die Rede ist, von einem Spartakus der Gegenwart im Sport, dann trifft das ganz gewiss auf den Spanier zu, der im Laufe der mehr als 18 Jahre, die er schon vorn und um mehr oder weniger große Titel mitspielt, auch schon ganz schön viel Haare gelassen hat. Auch Substanz, aber nichts an Kampfgeist.

Mich hat, auch wenn er kein Tennis-Ästhet war und ist wie ein Federer, an ihm klassisch nur der Fighting Spirit war und ist, dieser Rafael Nadal immer wieder fasziniert – und die Art und Weise, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Natürlich zwickt und zwackt es immer mehr, je älter man wird, natürlich rebelliert ein malträtierter Körper, wenn ihm zu viel zugemutet wird, natürlich muss jeder Star, je älter er wird, auch Pausen einlegen, um Luft zu holen und/oder Blessuren auszukurieren. Mit welch schweren Verletzungen bis medizinischen Blitz- und Wunderkuren der gute oder sogar noch immer bessere Nadal aber vermeintlich verlorene Matches und Turniere dann doch noch gewinnt, das grenzt allmählich an zumindest meine Glaubwürdigkeit als Kämpfer meiner selbst, der viele Brüche, Cuts, Krankheiten mit schweren Operationen überstanden und hinter sich hat.

Seit Jahren höre ich, dass er nichts mehr übers entzündete, blessierte Knie brechen soll, weil sonst die Karriere endgültig in die Knie gehen würde? Das Knie hält mehr, als man ihm verschworen hat! Dann war´s, übrigens im verlorenen Indian-Wells-Finale gegen den jetzt in Wimbledon niedergerungenen Taylor Fritz, mehr als nur eine angeknackste Rippe, die ihn in Atemnot und kurzfristig aus dem Tenniszirkus beförderte. Nur wenig später kam, sah und siegte der offenbar von Wunderheilern aller Art umgebene Rafa wieder – und zwar trotz eines ganz anderen, noch viel schlimmeren Handikaps, das Müller-Weiss-Syndrom genannt wird, das schon beim Gehen, geschweige denn beim Laufen höllische Schmerzen bereiten soll. Aber was ein echter Nadal ist, der verbeißt erstens die Schmerzen mit Hilfe von schmerzstillenden Pillen, lässt aber zweitens den Fuß mit Spritzen oder Vereisen so betäuben, dass er nichts mehr spürt. Wie gut man gefühllos spielen und laufen kann, das entzieht sich meiner Kenntnis.

Und das trifft auch darauf zu, dass Nadal nach dem in knapp 4 ½ Stunden erkämpften Einzug ins Wimbledon-Semifinale vorerst offenlässt, ob er gegen den australischen Premieren-Halbfinalisten, Publikums- oder Gegnerschreck Kyrgios spielen kann. Worum aber, bitte vielmals, geht es diesmal? Nicht um Knie, Rippe oder Sohle – nein, jetzt geht´ s um einen Bauchmuskel, der so irritiert war, dass ihn Vater und Schwester schon gegen Fritz zur Aufgabe ermuntern wollten. Aber ein Rafa, das hat der letzte Gladiator ohne Cockpit selbst formuliert, will und kann nicht aufgeben, sondern muss vielmehr kämpfen bis zum Umfallen oder bis zum Siegen. 

Nadal, diese über manch Argwohn hinaus legendäre Figur zu Lebzeiten, muss wohl – so steht zu befürchten – den sportlichen Heldentod sterben, damit der Mythos der Unzerstörbarkeit überleben kann. Wenn´s einmal so weit sein sollte, werden wir erst merken, was wir an ihm gehabt und verloren haben. Auch wenn einem manches so stutzig machen sollte, dass es zu denken gibt. Von allem Anfang an blieb bei Nadal manch Frage ja durchaus offen …

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