Bravo! Bravissimo! Chapeau! Höchste Hochachtung! Mehr kann man zum Husarenritt des 25jährigen Osttirolers Felix Gall in der Königsetappe der Tour de France über das (höchste) Dach des legendären Rundfahrtklassikers nicht sagen! Gall, der sich aus einer 33köpfigen Spitzengruppe ein Herz genommen und im Anstieg zum Col de la Loz die entscheidende Attacke geritten hatte, erreichte mit mehr als einer halben Minute Vorsprung das Ziel im Ski-Weltcuport Courchevel. „Ich habe davon nicht einmal als Kind zu träumen gewagt“, meinte der ehemalige Juniorenweltmeister. „Und vor eineinhalb Jahren hätte ich nie gedacht, dass ich solch eine Etappe in der Tour de France gewinnen könnte. Es ist einfach unglaublich!“
Unglaublich, aber doch so wahr! Zwar war er den Insidern der Radsportszene nach Topresultaten schon ein Begriff, gerade hierzulande aber hat sich Felix Gall erst jetzt so richtig einen Namen gemacht! Nicht über Nacht, sondern mit Topleistungen, mit denen er sich vom Edeldomestiken in seinem französischen Rennstall AG2R zum neuen Kapitän machte, dem der ursprüngliche Boss O´Connor vor den Augen der TV-Kameras seine Referenz mit einer herzlichen Umarmung erwies. Gall, der immerhin den designierten alten, neuen Sieger Jonas Vingegaard um fast zwei Minuten und den kränkelnden, schwächelnden zweimaligen Sieger Tadej Pogacar mehr als sieben Minuten distanzierte, schob sich damit vor den Schlussetappen der großen Schleife von Platz 10 auf Rang acht im Gesamtklassement – und sitzt als Zweiter der Bergwertung dem noch führenden Italiener Giulio Ciccone mit ein paar Pünktchen Abstand schon im Nacken. Wer weiß, vielleicht kommt er noch im „Dot-Polka-Trikot“ (gepunktetes Trikot) nach Paris …?
Stichwort Italiener! Während Felix Gall nach Max Bulla (vor dem Zweiten Weltkrieg), Georg Totschnig und Patrick Konrad (verlor heute fast 40 Minuten!) jetzt der vierte rotweißrote Etappensieger in der Grand Boucle ist, warten die italienischen Profis und erst recht die Radsport-Tifosi schon seit 80 Tour-de-France-Etappen auf einen Tagessieg, genau gezählt seit der inzwischen emeritierte (letzte italienische Tour-Triumphator) Vincenzo Nibali vor vier Jahren auf einer der Alpenetappe gewonnen hat. Allein dieser Vergleich mit einer der größten Radsportnationen mit dem hzweigten gro0en Rundfahrtklassiker Giro d´Italia zeigt, was der Husarenritt des österreichischen Mittzwanzigers bedeutet.
Er hatte wie so viele Profis vor ihm angedeutet, dass er einmal versuchen würde, eine Etappe zu gewinnen, aber anders als viele andere hielt Gall auch Wort. „Ich habe gespürt, dass ich gut drauf bin. Und so hab´ ich mich entschlossen, im Anstieg anzugreifen. Ich hatte gute Beine, aber am Schluss auch gefürchtet, dass man mich einholen könnte!“ Als der Abstand zu Verfolger Yates bis auf 15 Sekunden geschrumpft war, biss der Tiroler n och einmal auf die Zähne, trat noch stärker in die Pedale, um den Vorsprung im Ziel auf fast 40 Sekunden auszubauen.
Angesichts dessen, dass auch in der Nachfolge des Deutschen Senft immer wieder mehr als nur Radsport-verrückte Fans den großen wie kleinen Tour-Helden bergwärts nachrennen, kann man zum neuen heimischen Radstar nur sagen: Felix, du bist fürwahr ein wahrer Teufelskerl, der es verdient, in einem Atemzug mit heimischen Sportgrößen genannt zu werden. Für dich gilt, wenn´s ans Eingemachte geht und Teamgeist hin oder Unterstützung her, das geflügelte Wort, das da heißt: Der Stärkste ist am stärksten allein. Wie beim Solopagat über das Dach der Tour an die vorläufige Endstation Sehnsucht. Chapeau. Bravo. Bravissimo!