Fast 70.000 Zuschauer, die nur ein Tor erlebten – ein Wembley-Tor in Old Trafford, trotz Video-VAR- Zentimeterarbeit allerdings außer Streit. Die Perspektiven aber sind verschieden. Knapp über die Linie ist trotzdem drin. Und knapp vorbei ist auch daneben. Unterm Strich hat Favorit England mit Heimvorteil oder eher Siegeszwang zum EM-Auftakt gegen den Favoritenschreck aus Österreich zwar mit 1:0 gewonnen, aber abgesehen von der fantastischen Atmosphäre kann weder da noch dort von Sommermärchen geredet werden.
Natürlich ist die kluge ÖFB-Teamchefin Fuhrmann enttäuscht, dass trotz falschen Elferalarms und ein, zwei Möglichkeiten am Ende der Ausgleich nicht gelungen war, andererseits muss man der Lionesses-Dompteuse aus Holland zustimmen, die von zwei Gesichtern der englischen Mann-, Pardon: Frauenschaft sprach. Ja, ein Königreich für eine Schützen-Queen, so hätte sie jammern können, weil sich die Löwinnen Albions an Harmlosigkeit im Abschluss geradezu überboten. Würde man hochrechnen, wäre Treff Atout gewesen, dann wäre ein 3:1 oder 4:2 gerechter gewesen als ein mickriges 1:0, welches bei allem Respekt und auch gegen unsere oft und gern geübte authentische Interpretation eine wenn auch knappe Niederlage bleibt. Eine, die vor den beiden nächsten Spielen gegen Nordirland und Norwegen einigen Druck aufbaut. Das sei vorsichtshalber angemerkt.
Rotweißrot klatscht in Zufriedenheit trotz der knappen Niederlage durch ein mehr als knappes Gegentor Englands.
Genug des Beklagens angesichts einer höchst respektablen Leistung der rotweißroten Auswahl an Legionärinnen, auch solchen, die auf der Insel die Frau stehen wie Zinsberger von Arsenal, eine echte Nummer 1, auf die man sich verlassen kann. Respekt, Respekt, wie sich die Österreicherinnen in das Spiel und auch die englischen Stars der Frauenszene verbissen, wie sie sich gegen die temporären Angriffswellen stemmten, wie sie versuchten, im schnellen Umschaltspiel die eher nicht ganz sattelfeste britische Abwehr auszuhebeln.
Bei allen Vorbehalten, was Frauenfußball auf regionaler, lokaler und von immer noch großem Leistungsgefälle geprägter Ebene betrifft – in Old Trafford demonstrierte die durch Auslandsligen gestählte bis gestärkte Truppe ihr Entwicklungspotenzial, das die Mehrheit seit dem Sommermärchen 2017 zu stetem Fortschritt genützt hat. Von großer Laufbereitschaft über Zweikampfstärke bis zu immer besserer Balltechnik muss sich die absolute Frauen-Elite nicht mehr hinter den Männern verstecken.
Was Effizienz in der Offensive betrifft, da gibt´s immer noch Defizite und keine Spur an Scharfschütz(inn)en. Aber vielleicht ändert sich das ja nach dem mit Spannung erwarteten und auch von Angst-vorm-Verlieren geprägten Eröffnungsspiel, weil ja, frei nach dem Volksmund, aller Anfang am schwersten ist. Anders als gegen England ist gegen Nordirland, in der Weltrangliste weit hinter uns, allerdings das Verlieren schon so gut wie verboten. Und damit auch der Druck aufs Doppelte an gewachsen. Die Belfast-Damen gaben nämlich im Gegensatz zu uns nichts zu verlieren. Womit wir bei der Konsequenz aus diesem verdammt knappen 0:1 sind und beim verdammt knappen Vorbei, das auch daneben ist. Oder andersrum um Zentimeter drin …