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Hasil zum 80er: Genialer Ballkünstler, den Holland mehr hofiert als die Heimat

Eigentlich hatte er seinen Achtziger schon Ende Juli, aber solche Fest muss man dann feiern, wenn viele Freunde und Wegbegleiter nicht mehr auf Urlaub sind. Und so kam´s, dass Franz Hasil, Österreichs erster Europacup- und Weltcupsieger im Fußball, erst am 30. August mit vielen Ehren- und anderen, ganz einfachen Gästen mit seiner besseren oder eigentlich besten Hälfte Heidi zum runden Geburtstag bittet, selbst eingeladen von seinen Novomatic-Freunden in die Admiral-Arena beim Riesenrad im Wurstel-Prater. Das Rad der Zeit hat sich gedreht, aber zum 80er des seit Jahrzehnten auf Welt- oder Schiffsreisen befindlichen Wieners aus  Schwechat scheint es mehr als geboten, nicht nur kurz innezuhalten, sondern mit Franz Hasil eine Zeitreise durch sein bewegtes Leben anzutreten. Und da sie schon sehr lange dauert, wird sie auch bei mir nicht zu kurz kommen. Er hat es verdient.

Wie gesagt, gefeiert wird im Prater, aber der Franz war nie ein Wurstel oder Hutschenschleuderer, sondern ein geborener Fußball- und auch Überlebenskünstler, der immer und überall einen Weg oder genialen Trick fand, um Gegner wie Hürden zu überdribbeln. Er war, wie gesagt, in Schwechat daheim in den Dreher-Gründen beim Airport, aber Rapid hatte ihn so früh entdeckt wie den leider schon lange verstorbenen Jugendkumpel Toni Fritsch aus Petronell, mit dem er täglich Eiche-Buche, also Holzklasse, per Zug wie Blutsbrüder nach Hütteldorf zum Training fuhr. Und manchmal, wenn die Bahn schon abgefahren war, in der Rapid-Kabine kurzerhand übernachtete. So war´s damals in den späte n 50er-Jahren.

Beide spielten schon als Teenager in der Kampfmannschaft bei Rapid. Toni als bäriger Ursus und Flankenschläger, der Franzi als trickreicher Spielmacher und schussgewaltiger Scharfschütze in Personalunion. Zu zweit erlebten sie Highlights im Team wie das legendäre 3:2 in Wembley gegen England, aber auch Meistertitel mit den Grünweißen. Eine Sternstunde für Hasil schlug es im Europacup gegen den damaligen deutschen Meister Braunschweig, der heute irgendwo in dritter oder Regionalliga dahindümpelt. Es war ein denkwürdiges Bombentor, fast eine Rakete, die Hasil 1967 die Tür zum Fußballhimmel auf Erden öffnete. Wie ein Strich schlug der Ball aus 25m im Kreuzeck ein zum 1:0. Rapid scheiterte zwar damals unglücklich an der Eintracht, aber dafür landete Franz in Deutschland bei Schalke 04, jenem Kultverein, der für immer mit Rapid verbunden ist seit dem legendären 4:3 nach 0:3 im Kriegsjahr 1942 dank drei Binder-Toren um die deutsche Meisterschaft und die Trophäe, die Viktoria hieß.

Von links nach rechts und von oben nach unten: Franz Hasil bei Rapid, als Schalke-Knappe, Feyenoord-Star, Oranje-Größe, Happels verlängerter Spielfeld-Arm, Funder-Wuzzi, Legenden unter sich, Hochzeitsglocken, Blick zurück mit Stolz und ohne Zorn.

Ich hoffe, dass ich sie nicht langweile, aber jetzt beginnt´s erst richtig spannend zu werden. Auch für Hasil, der auf der Glückauf-Kampfbahn und beim Geländelauf auf Schienen im Kohlenpott die erste von zwei konträren Trainerlegenden erlebte, eine skurrile Figur namens Rudi Gutendorf, die fast überall auf der Welt ihre Spuren hinterließ, in welcher Form oder Sprache immer sie als Fußballlehrer engagiert wurde. Der ehemalige Erz-Rapidler Ernst Happel, kein Kind von Traurigkeit als Spieler, genannt „Wödmasta“, aber Anwalt der Disziplin als Trainer in Holland, hatte längst sein Aug´ auf das Ballgenie aus Wien, notabene den Grünweißen, geworfen.

Als ihn Happel, der inzwischen von ADO den Haag zu Feyenoord gewechselt war, nach Rotterdam holte, erlebte Hasil zunächst einmal seine blauen Wunder – auch mit blauen Flecken, die er beim Training abbekam. Zwangsläufig, denn Happel, der geborene und gelernte Wiener, kannte seinen genial schlampigen Pappenheimer und die österreichische Mentalität, die er ihm mit seinen Feyenoord-Recken a la Israel und Konsorten auszutreiben gedachte. Als sich Hasil beschwerte, dass die eigenen Kollegen ihm „über die Strümpf“ gehen würden ohne Rücksicht auf Verluste, kannte Happel kein Mitleid, sondern kein Pardon. Er stellte ihn vor die Alternative: Anpassen gegen eine gute Gage oder heim nach Österreich um Eckhäuser weniger.

Hätte Hasil damals nicht begriffen, dass er die Krot schlucken muss, um akzeptiert zu werden,, wäre aus ihm nie ein großer, mehr noch: ein Weltstar geworden, der auch in damals ernstzunehmende Weltteams, nicht Jux-Auswahlen wie in späteren Jahren, berufen wurde. Die Abhärtung tat seiner Klasse keinen Abbruch, ganz im Gegenteil wurde Hasil mit seiner Fu0bakll-intellegenz zum Angelpunkt und zur Drehscheibe des von Happel damals gepredigten totalen Fußballs, in dem auch Künstler dazu gezwungen wurden, zu kratzen, zu beißen und zu spucken. Damit wurde Feyenoord nicht nur holländischer Meister, sondern auch Sieger im Europacup der Meister mit einem 2:1 in der Verlängerung gegen Celtic Glasgow, dem schottischen Sieger 1966/67 gegen Inter Mailand.

Der Schwede Kindvall schoss das Siegestor, einem Hasil-Treffer stand nur das Holz im Wege. Dem ersten Streich folgte der nächste auf dem Fuß – Sieg im Weltcup gegen Estudiantes Buenos Aires. Mit Hasil, eh klar. Die Empfänge am royalen Balkon bei Oranje-Königin Juliane, die als Lech-Urlauberin den Österreicher als zweitbekanntesten Menschen im Lande ins Herz geschlossen hatte, blieben unauslöschliche Eindrücke für den ersten österreichischen Fußball-Legionär, der im Klubfußball alles gewann, was es zu gewinnen gibt.

Der aber in Vor-Bosman-Zeiten, als nur wenige Ausländer pro Klub spielen durften, diese tollen Erfolge insofern bezahlte, dass ihn Feyenoord nur ausnahmsweise ans Nationalteam abstellte, die Zahl seiner Einsätze in Relation zum Rekordler Arnautovic geradezu lachhaft sind. Nur 21mal trug er das Nationaltrikot, nicht ein einziges Mal zwischen 1968 und 1972, weil der Wiener Happel dem Wiener Hasil keine Freigabe erteilte trotz vieler Fürbitten mit dem Satz, der keinen Widerspruch duldete: „Wo verdienst dei Göd? Bei uns oder beim ÖFB?“ Als er spielen durfte, klebte dem Genie das Pech am Fußballschuh – oder klatschte an die Latte. Wie im winterlichen Play-off-Spiel um die Fußball-WM 1974 in Deutschland in Gelsenkirchen gegen Schweden, das 1:2 verloren wurde. Was gewesen wäre, hätte Hasil getroffen? Makulatur. Wie manch anderes in seinem Leben.

Als die Chemie bei Feyenoord nicht mehr stimmte wie in besten Zeiten, hätte ihn Schalke gerne wieder gehabt, zumindest der Präsident Siebert, nicht aber Bernie Klodt, die graue Eminenz als ehemalige eiserne Teamreserve von Helmut Rahn., der die Rückkehr hintertrieb. Und so kam´s dazu, dass der Franz nach den Wanderjahren wieder in Österreich landete, besser: am Wörther See ankerte – geholt von Adolf Funder, Spanplatten-Kaiser aus St. Veit an der Glan mit Faible für Pferde und Fußball als Sponsor der Klagenfurter Austria. Als Weltcupsieger mit einem Vizeweltmeister, der schnell eingebürgert worden war – Lothar Emmerich! Unglaublich, aber wahr. Wie tief Funder in die Tasche gegriffen hat, blieb Spekulation. Es ging jedenfalls um Millionen. Damals allerdings noch lange in Schilling.

Klagenfurt, Wörther See, Velden – diese Beziehung hatte es nicht nur in sich, was Hasil und Fußball betrifft, sondern auch die Spielernatur. Mit Feyenoord hatte er einige Potts gewonnen, den Jackpot im Casino konnte er im Schlepp des Gamblers Happel damals nicht knacken. Eine verhängnisvolle Affäre, die dem Franz viel von seinem hart verdienten Geld gekostet hat. Aber was ein Hasil ist, der stellt sich auf die Füße – und wenn´s sein musste, im Adidas-Österreich-Lager in Viktring bei Klagenfurt auf die Beine oder den Hubstapler, um ein sicheres Einkommen für die Familie mit zwei Kindern zu haben neben den kleineren Brötchen bei Polizei Klagenfurt oder St. Veit,  die er in Unterligen mit Kickern backen musste, die mit dem Ball per Sie und nicht eins waren wie er, der in einem ORF-Interview einst launig vermerkte: „Da hast aufpassen miassn, dass´d kan Pass auf´d Gurgel kriegst…“

Der Franz hat´s überlebt wie alle Schwierigkeiten und Probleme, mit denen er konfrontiert wurde. Nicht immer, aber manchmal auch aus Übermut. der nicht gut tut. Auf seine alten Spieler- und neuen  Trainertage war Hasil nach Wien zurückgeholt worden auf die Hohe Warte von den damaligen Vienna- und (leider schon verstorbenen) Rank-Xerox-Herren Heinz Werner Krause und Doktor Hermann Michelitsch als Spieler und Trainer mit frischer Lizenz. Der Ball gehorchte ihm noch immer, aber der Zahn der Zeit, der nagte halt immer mehr. Und als die Uhr im Fußball ablief, da begann eine neue Tenniszeit für Hasil, den Autodidakten, der auch mit der kleinen Filzkugel schnell lernte besonders gut damit umzugehen in der Runde alter Kicker-Kumpel beim WAC im Prater, wo er auch in der Seniorenmannschaft zum Einsatz kam, wenn er nicht gerade in der Tabak-Trafik in der Salesianer-Gasse stand – und wo er, obschon der ÖFB-Präsident auch Lotto-Toto-Chef war, keine Glücksspielscheine verkaufen durfte. Ja, so geht´s hierzulande. Ganz so, als wäre er ein Stiefkind des Glücks…

Die jüngeren Semester in der österreichischen Heimat kennen/kannten diesen Franz Hasil wenn überhaupt nur vom Hörensagen, ohne zu ahnen oder zu wissen, dass er in seiner Wahlheimat Holland einst zum Legionär des Jahrhunderts gewählt worden war als Wiener, noch geboren in der Nazi-Ostmark anno 1944 in Kriegszeiten. Für den Oranje-Fußball, für verstorbene Granden wie Ajax-Superstar Johan Cruyff, dessen Kariere bei Feyenoord begonnen hatte, oder lebende Größen ist der Wiener aus der Vorstadt Schwechat stets eine unvergessene Legende (gewesen), der Rotterdam heute noch zu Füßen liegt mit dem Denkmal für die Spuren, die er hinterlassen hat. Mit Freifahrtschein auf Lebensdauer in der Hafenstadt.

Aber es gibt auch andere persönlichen Bekanntschaften, die er etwa bei Jux-Spielen gemacht hat – darunter mit royalen Größen wie Prinz Albert, dem heutigen Fürsten von Monaco, der ihm als Mitglied der monegassischen Polizei- und Feuerwehrtruppe einen schmerzhaften Tritt versetzt hatte, den Franz beleidigt bis drohend  so quittierte: „Du, du Prinz du, bist deppert …“ Beim Heurigen gab´s dann ein Versöhnungsviertel. Mit Albert, dem Fürsten, der Sportkönige schätzt, hatte er auch später noch Kontakt. Wie mit Feyenoord und mit Holland, wo er sich auch in der Landessprache verständigen kann.

Und so ist´s nicht verwunderlich, dass zum 80er des genialen Fußballers ein holländischer Universitätsprofessor und Fußball-Analytiker namens Frank Ritmeester aus Arnheim via Amsterdam eingeflogen war, um eine Laudatio auf Hasil zu halten, der als erster Europacup und Weltcupsieger der Meister zumindest der erfolgreichste und beste Kicker der Nachkriegszeit war, ohne andere klein zu reden  oder gar zu beleidigen. Nicht auszudenken, würde er heute spielen in Zeiten, in denen das Geld (von Saudis) abgeschafft scheint. Ad multos annos, lieber Franzi, frisch gefreiter Freund. Auch beim Tennis!

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