Stell Dir vor, ein österreichischer Golfer schrammt bei einem 6,6 Millionen-Dollar-Event auf der US-Tour knapp an einem historischen Sieg vorbei, aber kaum jemand nimmt besondere Notiz davon an Tagen, an denen alles Thiem, ein bisserl Ski, Schanzen und Fußball-Kapriolen ist? Ja, das ist so im Falle des Bernd Wiesberger, der in Sea Island, Georgia, fabelhaft spielte, mit 17 unter Par und nur zwei Schlägen Rückstand auf den US-Sieger Streb toller Vierter (einen Schlag übrigens vor dem tragischen Helden, dem Comeback-Kid Camilo Villegas) und damit auch Nr. 1 der dort abschlagenden Europäer wurde, darunter Major- und Olympiasieger wie Justin Rose, Graeme McDowell und Danny Willett, aber auch Topstars und Evergreens wie Lee Westwood oder Tommy Fleetwood. Und nicht zu vergessen, dass auch der in Wien geborene und 15 Jahre lang hier aufgewachsene Doppelstaatsbürger Sepp Straka ebendort mit acht unter Par auf Platz 43 immer noch der sechstbeste Europäer war, also ebenfalls so was wie ein Gütesiegel – samt der US-PGA-Tour-Karte, die er längst im Sack hat.
Bei Golf handelt es sich um einen Sport, der rund um die Welt von Profis vom Teenageralter bis zum Fünfzigsten und darüber gespielt wird, also um mehr als 1000 Topspieler, die an einem guten Tag der Welt im wahrsten Sinn des Wortes ein Loch schlagen können. Anders als im Tennis, vor allem im Einzel, gibt´s mehr als nur ein paar Sieganwärter, sondern zwei, wenn nicht mehrere Dutzend an Spielern, die auch Majors gewinnen können. Nichts könnte die breite Spitze als spitze Breite besser illustrieren als dieses Faktum, das sich auch in Zahlen eindrucksvoll fassen lässt. Obschon einige der alten Granden und neuen Größen wie Padraig Harrington, Bubba Watson, Rory McIlroy, Brooks Koepka, Jordan Spieth oder der aktuelle US-Masters-Sieger Dustin Johnson mehr als ein Major gewannen, gab´s inklusive 2010, also in elf Saisonen und 43 Turnieren, nicht weniger als 30 verschiedene Namen in der Grand-Slam-Siegerliste. Im Tennis gab´s im gleichen Zeitraum ganz sieben Siegernamen, Dominic Thiem als neuester schon inbegriffen.
Warum es noch viel schwieriger als beim Tennis geworden ist, im Golf was Großes zu gewinnen, das liegt nicht zuletzt am Spezifikum des Spiels und Sports an sich, der keine Fehler verzeiht. Im Tennis kannst du verpasste Chancen, verjuxte Gelegenheiten, den einen oder anderen Fehlschlag wettmachen und dir verlorene Games zurückholen – im Golf bist du verloren, wenn´s dir so geht wie Tiger Woods beim jüngsten Masters, als er an einem Loch nicht weniger als sieben, jawohl sieben Schläge, auf einen Sitz verlor, die ihn ans Ende des Feldes beförderten, ehe er mit einer Serie an Glanzschlägen noch unter die Top 40 vorstieß.
Eben darum, weil´s im Golfsport noch enger zugeht und die mentale Stärke zumindest so gefragt ist beim Spiel gegen den Platz und sich selbst, sind die Leistungen des Austria-Top-Trios Wiesberger, Schwab und Straka höchst bemerkenswert. Schließlich darf man auch nicht vergessen, dass mit echten und nicht eingebürgerten Österreichern der konkurrenzfähige professionelle Golfsport dank Spätzünder Markus Brier als Pionier so richtig erst im 21. Jahrhundert begonnen hat. Das 10mal so große, an Golfplätzen, Golfern und auch Tradition überlegene Deutschland hat uns zwar mit Evergreen Bernhard Langer und Martin Kaymer als mehrfache Major-Sieger einiges voraus, dafür besitzen sie aktuell kein derart starkes Triumvirat, das abwechselnd immer wieder an der Spitze mitmischt.
So viele Weltsportarten gibt´s nicht, in denen Rotweißrot sagen kann, dass es sich mit den Besten der Welt im Normalfall fast Woche für Woche messen – und dabei auch gewinnen kann. Immerhin hat Wiesberger, der Burgenländer aus Bad Tatzmannsdorf, schon sieben PGA-Turniere von England über den Kontinent bis Korea und Indonesien gewonnen. Jetzt fehlt nur noch der Durchbruch auf der US-Tour und bei einem Major, um damit auch den Sprung Richtung Top 10 der Welt und in noch höhere Preisgeld-Sphären zu schaffen. Nur eine Frage der Zeit, wenn er oder einer der beiden anderen im mittlerweile auch dank Tiger athletischeren Golf ihre Muskeln spielen lassen, als Größen aus einem kleinen Land frei nach Fendrich verkünden können: „I am from Austria!“