Ich weiß nicht, ob es anderen anders geht, aber als langjähriger Beobachter der Szene handelt es sich für mich und meine Begriffe bei der Paris-Finalsiegerin 2020 und neuerlichen French-Open-Finalistin Iga Swiatek aus Polen um den seit vielen Jahren am wenigsten beachteten, am meisten unterschätzten weiblichem Tennisstar. Entschuldigt bitte, werte Blog-Freunde, wenn ich mir gestattete zu sagen, dass es sich bei der größten Rekord-Seriensiegerin seit Serena Williams (je 34) zumindest in der medialen Reflexion um eine graue Tennis-Maus dreht!
Sollte sie das Endspiel gegen den einst hochgejubelten, damals als 15jährige auch in Linz siegreichen, dann in ein Wellental gefallenen, wieder erstarkten Teenager Coco Gauff gewinnen, dann wäre die auch erst 21jährige Polin zwar sportlich auf Augenhöhe mit dem ehedem fast außerirdischen amerikanischen, medial auf Händen getragenen Sister-Act, an Image und Abermillionen, mit denen eben diese beiden aufgewogen wurden, aber nur so etwas wie ein halbes Portiönchen. Ja stimmt, die gertenschlanke Iga ginge ja fast zweimal in die Sirene, wie böse Zungen flüstern, die grazile, aber kraftvolle Polin bringt zwar auch alle sportlichen Ingredienzien mit, die eine Seriensiegerin ausmachen, sie gewinnt und gewinnt selbst dann, wenn sie nicht ihr bestes Tennis spielt, aber im öffentlichen Ansehen und Interesse löst sie höchstens ein Achselzucken aus.
Anders als die Williams-Schwestern, anders als vordem eine Maria Sharapova oder die ebenso schöne, aber Single-Grand-Slam-Sieg-lose Anna Kournikova fehlt ihr das schillernde Etwas, das offensichtlich eine conditio sine qua non ist, also Voraussetzung, um Starappeal und Ausstrahlung zu verbreiten. Iga Swiatek mag ein Turnier nach dem anderen gewinnen, eine Gegnerin nach der anderen erledigen, an der breiten Öffentlichkeit aber geht das so vorbei wie ihr Wesen. Ob gerecht oder nicht, ob bedauerlich, aber wahr, so ist heutzutage der mediale Lauf der Welt, erst recht, seit die sozialen Medien mehr oder weniger das Tempo und die Themen diktieren. Alles, was gut, recht und erfolgreich ist, wird solange als achselzuckende Selbstverständlichkeit mehr oder weniger ignoriert, wenn nicht auch ein Schuss an Präpotenz oder ein Hauch an Skandal mit im Spiel sind.
Iga Swiatek, die vielleicht beste Tennisspielerin seit einiger Zeit, kann weder mit dem einen noch dem anderen dienen. Oder überspitzt formuliert ist ihre Weste nicht nur im Wimbledon einfach viel zu weiß, um daraus was Schillerndes zu zaubern. Ich bin schon neugierig, ob es da irgendwann schlaue PR-Agenten gibt, die ihr diese auf Sportlichkeit reduzierte Persönlichkeit auszutreiben versuchen. Heutzutage ist ja nichts mehr ausgeschlossen, sondern alles möglich in einer Welt, die auf negative Sensationen und Schlagzeilen gepolt ist. Mit unscheinbaren Tätowierungen allein wird da wohl nichts zu machen sein.