Er ist der letzte alpine Olympiasieger vom einst Weißen Wunderteam aus Kitzbühel, das in den fünfziger Jahren die Skiwelt beherrschte mit Sailer, Molterer, Pravda und Co. Und mit seinem mehr als drei Jahre jüngeren KSC-Kollegen, dem Silber-Hias Leitner, ist er sozusagen auch der Rest vom Ski- und Schützenfest. Heute feiert Ernst Hinterseer, Golden Boy im Slalom von Squaw Valley 1960, seinen 92. Geburtstag. Nicht nur so dahingesagt, sondern in alter Frische, denn dem Ernstl sieht man das Alter nicht an, die weißen Haare zum gebräunten Gesicht gehören zu jeder Jahreszeit so zu ihm wie die Lederne im Sommer, wenn er von seiner Pension stramm talwärts marschiert – direkt zur Goldenen Gams im Hotel Tiefenbrunner in der Vorderstadt. Dort steht der Stammtisch, wo Karten gespielt wird. Fast täglich mit alten Freunden. Fast ein Ritual.
Wenn heute bei seinen Schilderungen über alte Ski- und Reisezeiten die Augen blitzen, dann erinnern sich ältere Semester daran, dass Hinterseer seiner frappanten Ähnlichkeit mit dem Don-Camillo-Darsteller in den legendären SW-Filmen auch Fernandel genannt wurde. Ob am Stammtisch nicht nur gewitzelt wird, weiß ich nicht, dafür aber, dass der damals halb so alte Ex-Profi und Neo-Trainer ein streitbarer Geist war, an dem sich viele Geister schieden – in Österreich, aber auch jenseits der Grenzen. Für seinen Olympiasieg hat ihm einst die Stadt Kitzbühel jenes Grundstück geschenkt, auf dem er mit den verdienten Profi-Preisgeldern die Pension Hinterseer baute – am Schattberg, auf den man von der Gondel blickt, und deshalb nicht (wie der im Herbst verstorbene Anderl Molterer) neben dem Haus Sailer unter der Bahntrasse, „weil ich oft genug hinterm Toni g´wesen bin!“ Er wart aber sozusagen im letzten Abdruck der verfluchten Squaw-Valley-Spiele als Olympiasieger doch noch aus seinem Schatten gekurvt.
Ja, der Ernst war kein einfacher Charakter, sondern mitunter ein Schwieriger, der sich öfters mit der Umwelt überwarf., nicht nur, was den Skirennsport betroffen hat. Aus welchen uns nicht wirklich bekannten Motiven auch immer mit seinem (unehelichen) Sohn Hans, dem ebenfalls immer jungen Hansi. In dessen Jugendjahren hatte er ihn früh zu einem Skistar geformt, der FIS-Vize- und Profiweltmeister wurde. Mit ihm aber einte er sich mehrmals, um sich doch zu entzweien.
Eine Family- und Dynasty-Story, wie sie das Leben oft schreibt. Am Tag, an dem der letzte Kitz-Olympionike aber seinen 92er in besagter alter körperlicher wie geistiger Frische feiert, ist sie trotzdem nur eine Nebensache. Und dem Fernandel, Pardon: Ernst zu wünschen, dass er verschmitzten Gesichts und dem Schalk im Nacken in der Goldenen Gams die Asse aus dem Ärmel zieht. G´sund bleiben, alter Haudegen.