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Kitz hat nur noch Thiem statt Aura eines Tennisklassikers im Alpen-Monte-Carlo

Kitzbühel ist meine zweite Heimat. Seit mehr als 50 Jahren schon. Ich habe Schranz, Klammer, Maier, Eberharter, Kjus, Cuche, Mayer und Co. auf der Streif erlebt, die wirklich großen Tennis-Kapazunder vom Alpen- über Head-Cup bis zu den 90er- und ersten Zweitausender-Jahren, auch deshalb, weil ehedem eine weltweit anerkannte Tennis-Größe wie Ion Tiriac die Fäden hinter den alten, schönen, hölzernen Kulissen gezogen hatte.

Ja, das waren Zeiten, als ein Mehrfachsieger wie Guillermo Vilas mit Caroline von Monaco im Mionte Carlo der Alpen beim Schlosshotel Lebenberg einflog. Als der schöne Römer Panatta oder der so tragisch verstorbene Vitas Gerulaitis siegten. Ein Wimbledonsieger wie Kodes gleich dreimal sein, ein Lendl sein einziges Endspiel verlor. Als Sitzpolster erhitzter Gemüter bei frostigen fünf Grad flogen, als das Duell des von Diego Perez (Uru/Nr. 99) entzauberten Wunderkindes und Sensations-Wimbledonsiegers Boris Becker nächtens nach dem ersten Satz abgebrochen wurde. Als Sampras mit dem Kitz-Sieg für Olympia aufwärmte. Als Muster, Ivanisevic, Costa, Corretja, dann noch Paris-Sieger Gaudio, Olympiasieger Massu und der damalige Himmelstürmer und spätere US-Open-Sieger Del Potro dem Turnier ihren Stempel aufdrückten.

Guillermo Vilas mit Caroline von Monaco: Pete Sampras beim 92er-Sieg. Mehrfachsieger Albert Costa.

Und wie hat´s, einmal abgesehen vom Thiem-Heimsieg vor drei Jahren und dem vordem wenig populären Vorjahrs-Aufsteiger Ruud, zuletzt fast immer ausgeschaut? Oft unbekannte Sieger, die aus der Qualifikation kamen, weil sich vermeintliche Ticketseller vorzeitig nach Amerika vertschüsst hatten. Und wer gedacht hatte, im Jahr eins mit Comeback-Kid Thiem würd´ alles wieder anders sein, da könnte Kitz wieder mit Top-10-Glanz und Gloria aufwarten, da brach alles nach dem verdammten Gstaad-Finale wie ein Kartenhaus zusammen. Kaum hatten sie Punkte und Selbstvertrauen im Trockenen, schon zwickten und zwackten Casper Ruud und Matteo Berrettini bedauerlicherweise Schulter, Schenkel oder was immer.

Bobele Becker, schon  1985 ein gefallener Tennisengel in Kitz. Nach vielen Anläufen kam auch Muster ans Ziel.

Ob fünf mehr oder weniger rotweißrote Lokalmatadore diese Absagen wettmachen können, das sei einmal dahingestellt. Das neu ausgeloste Spielerfeld hat leider, um der Wahrheit die Ehre zu geben, eher den Charakter eines besseren Challengers denn jenen eines legitimen Erben von Turnieren, in denen ein Ass nach dem anderen aus dem (Tiriac-)Ärmel gezogen wurde. Wenn ich vergleichsweise sehe, dass im kroatischen Adria-Paradies (ursprünglich stets Mitte/Ende August) solche Kaliber wie Alcaraz, Sinner, Fognini etc. aufschlagen, wenn ich schaue, wer bereits in Atlanta, Georgia, den Countdown zum US-Open auf Hartplatz einläutet, dann muss sich ein Klassiker wie Kitzbühel etwas Bahnbrechendes einfallen lassen, das über Ankündigungspolitik und Hurrapatriotismus hinausgeht.

Auch wenn die heurigen Generali Open für einen Dominic Thiem im Aufwärtstrend die größte Chance bieten, nach Erstrunden-, Achtelfinal- und Viertelfinalsiegen in den vergangenen drei Wochen wieder nach dem ersten Turniererfolg seit langem greifen zu können. Nichtsdestotrotz sei allerdings davor gewarnt, dass nichts schwieriger sein kann als sogenannte Pflichtsiege gegen Außenseiter. Ich werde mir das entweder in Kitzbühel von meinem Balkon aus Richtung Tribüne oder aber via Live-Fernsehen anschauen, um mir von beiden ein Bild zu machen – von Thiem und dem Turnier, das leider schon lange nicht mehr ist, was es Jahrzehnte lang war, nämlich Alpen-Monte-Carlo. Den Jackpot knacken jetzt andere. Rien ne va plus?

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