Website-Icon Metzger.Live

Kitz-Tennis: Schöngeredeter Altklassiker, Hoffnung auf Neoklassiker im neuen Rahmen

Ich gehöre natürlich zu den vor allem von jüngeren Kollegen als alter Knacker betrachteten kritischen Geistern, die halt nicht jede PR-Aktion oder auch nur Presse-Aussendung mit Handkuss, wenn nicht Begeisterung übernehmen oder gar bejubeln. Also gehöre ich auch nicht zu jenen, die frei nach dem Volksmund sagen oder schreiben müssen: Wes Brot ich ess´, des Lied ich sing. Dem ist leider so, seit immer mehr (Event-) Veranstalter mit möglichst potenten Medienpartnern (welcher Art immer) gemeinsame Sache machen, wo es dann zum Part of the Game gehört, dieses Game so schön wie möglich zu reden und zu präsentieren.

Das sei vorausgeschickt, ehe ich mir einen eher realistischen Rückblick auf das zudem vom Wettergott nicht gerade verwöhnte Kitzbüheler Tennisturnier werfe, das mit dem Favoritensieg des russischen Kasachen Alexander Bublik endete, der in der Sandplatz-Arena gegen den Franzosen Cazaux seinen 22. Erfolg in den letzten 25 Spielen errang. Wie gesagt gegen einen Franzosen, was aber die täglich erscheinende Sportbibel l`Equipe so wenig vom  Sessel riss wie einen Bublik, dessen  Spiel und Stil sie so beschrieb: „Moins fantasque, plus percutant – weniger fasntasievoll, aber umso wirkungsvoller!“ Was wieder im Widerspruch dazu steht, wie ihn die Turnierveranstalter in eigener Sache darstellten: „Ein polarisierender Turnierfavorit, der sein zweites Championat in Folge anpeilt und ein Franzose, der zum allerersten Mal in einem ATP-Finale steht – das sind die Zutaten für ein spannendes Kitzbühel-Finale!“ Die Wahrheit kann bestenfalls, nimmt man die Zahlen als Maß, in der Mitte liegen.

Dieses X für ein U zu verkaufen hat sich, Ausnahmen a la Erste-Bank-Open in Wien bestätigen ja nur die Regel, mittlerweile ja weit über Gamsstadt und Tennis hinaus in der Sportberichterstattung eingenistet. Schlag oder hör nach in den diversen Resümees der Ö-Single-Bilanz von Kitzbühel, wo mit Misolic trotz der überschaubaren gegnerischen Klasse nur ein ÖTV-Spieler eine Runde überlebt hatte, TV-Expertenrunden mit schönem, stets gestyltem femininen Aufputz und flotten Sprücheklopfern aber frank, frei und fröhlich vermeldeten, dass die rotweißrote Tennis-Zukunft spätestens jetzt begonnen habe. Wenn´s s wenigstens die halbe Wahrheit und nicht virtuelle Vision wäre!

Dazu hab´ ich den bedeutungsschwangeren Satz gehört, dass das Turnier auch  ohne Thiem quasi überlebt hatte – ganz so, als hätte es vordem keinen Melzer (Finalist gegen J. M. Del Potro), keinen Muster (Sieger 1993) und auch keinen Hans Kary gegeben, der einst im alten Stadion mit überdachter Tribüne (die es nach Umbau wieder geben soll) nicht an  Männern wie Van  de Zandschulp im  Achtelfinale, sondern zweimal im Viertelfinale gescheitert war – einmal an Winbledonsieger Kodes, einmal an US-Open-Sieger Orantes. Das hat nichts mit verklärender Vergangenheit zu tun, sondern ist realistische Geschichte wie ein Mehrfachsieger Vilas oder die Skandalstory um Bobele Becker anno 1985. Damals war Kitz-Tennis der Sommer-Kontrast zum Hahnenkammrennen. Kann man sich, Entwicklungen hin, Kostensteigerungen her, überhaupt vorstellen, dass das Streif-Spektakel unter medialem Jubel nur von Europacup/FIS-Läufern bestritten wird?

Jetzt kann ich, obschon alter Knacker, nur darauf hoffen, dass dann, wenn die schönen Pläne bis 2027 wirklich in die Praxis umgesetzt werden, auch wieder wahre Größen der Tenniszunft nach Kitzbühel kommen, um über einen harten Kern an Fans hinaus auch wieder mediale Wellen bis über den Atlantik, etwa zur New York Times (heuer zugeknöpft und punkto Bublik nicht up to date), schlägt. Kitzbühel hätte es sich, schon der guten alten Gams zuliebe, jedenfalls verdient …

Die mobile Version verlassen