Lokalaugenschein in Kitzbühel am Freitag und Samstag vor dem Auftakt zum leider nur noch 250er-Generali Open mit der Qualifikation. Am steinernen Stadion, das sich nach etwa 30 Jahren schon überlebt zu haben scheint, findet man die Porträts der Größen, die dort gespielt oder sogar gesiegt haben, darunter nicht nur Kaliber wie dem unvergessenen Arthur Ashe, sondern auch einem Björn Borg , einem Ivan Lendl und natürlich einem Guillermo Vilas, erstens Rekordsieger in der Gamsstadt, zweitens Blickfang für die Weltmedien, als er mit Prinzessin Caroline von Monaco einflog.
Dieser Hinweis auf die Legenden macht erst deutlich, von welch einstigen Höhen dieses älteste aller heimischen Top-Turniere abgeglitten ist in eine der untersten, immer noch teuren, aber an Ranking-Punkten eher armen Kategorien. Nicht brutal ausgedrückt, sondern der Realität entsprechend, nicht mehr zweit-, sondern maximal drittklassig. Aber eben das, werte Blog-Leser, hat sich ein Glamour-Standort wie Kitzbühel, Monte Carlo der Alpen im Winter beim Hahnenkamm-Skiklassiker, absolut NICHT verdient. Und wenn´s eine Frage des Preisgeldes ist, dann kann ich nur darauf verweisen, dass es sich (wie übrigens auch schon im Winter) neben dem speziell am Tirol-Markt interessierten „Krone“-Partner beim potentesten aller Turniersponsoren um den finanzkräftigen roten Bullen handelt, den Konzern-eigenen TV-Sender Servus inbegriffen. Ja, das sei der Form halber erwähnt.
Als echter Wiener und halber Kitzbüheler mit 50jähriger Tennisturnier-Erfahrung hab´ ich mich nicht damit begnügt, von meinem Balkon aus auf das gegenüberliegende Stadion und die Festzelt-Plantage zu schauen, sondern einen kurzen Rundgang vom neuen, aber schon alten zum inzwischen nicht mehr existenten ganz alten zu machen, den der Multi-Sportpark ersetzt hat. Ehrlich gesagt, da wird so geklotzt und nicht mehr gekleckert, dass sich ja Roland Garros oder die US-Open fast verstecken könnten.
Da reiht sich auf einer Seite ein Ausrüster und ein mehr oder weniger großer Sponsor nach dem anderen, während vor und nach der Tunnel-Unterführung (die Bahn nimmt dort die Kurve) die durstigen Kehlen in mehr oder weniger prominenten Loungen ohne Logen gelöscht werden können – vom echten Schampus über Sekt, Wein bis zum Bier, alles halt je nach Geschmackssache oder Kleingeldfrage. Und auch des Wetters, das zwischen Horn und Hahnenkamm vor allem im Sommer und vor allem gegen Abend, wenn die Badegäste vom Schwarzsee kommen, mit Blitz, Donner, Regen oder gar Hagel ganz schnell umschlagen kann. Damit musste Kitzbühel schon seit Jahrzehnten leben, schon vor dem Klimawandel.
Aber wenn´s schon kein Dach über den Tribünen gibt im Gegensatz zum Center-Court-Holztempel von ehedem, dann sei den Durstlöschern gedankt, dass zwar (die meisten) Tische nicht gedeckt sind, aber dafür das Zelt besten Regenschutz bietet. Darauf kann man auch ein Gläschen heben. Und wenn die echten Ciprianis in New York vis-a-vis Hyatt und neben Pierre-Hotel auch 6000 km weit weg ist – in einem Franchise-Zelt des Italo-Amerikanischen Großgastronomen und einem der Kitz-Sponsorens kann man einen Hauch an US-Open atmen. Zum Endspiel übrigens gibt´s pünktlich den traditionellen Jahrmarkt in Kitzbühel!
Beim Schlendern und Schauen, welchen der Österreicher oder bekannten Ausländer man womöglich auf den Trainingsplätzen vorm Sportpark verfolgen kann, entdeckt unsereins – unentdeckt -TV- Sportdirektor Jürgen Melzer im Tennisdress, versteht sich von selbst, in einer Freundschaftsrunde. Ehe die ehemalige Nr. 8 der Tenniswelt das Kitzbühel-Finale (2009, gegen Del Potro) erreichte, war Melzer ja mit den fliegenden Bällen in der Höhenlage so auf Kriegsfuß gestanden, dass er mit eben diesen speziellen Bedingungen einige frühe Pleiten erklärte. Inwieweit der Sportdirektor, der ja jetzt das Vorarlberger Toptalent Joel Josef Schwärzler bemuttert, pardon: Ersatz-Bevattert, seine Kitz-Metamorphose von damals auf den Schützling übertragen konnte, hat sich unsereins dann im internen rotweißroten Generationenduell mit Dennis Novak (ohne Coach Günter Bresnik, der nicht nach Kitzbühel kam) zum Qualifikation-Auftakt angesehen.
Und ehrlich gesagt, da erinnerte der 17jährige aus dem Ländle sehr an den damals noch bartlosen, neuen Mentor, der in der Spieler-Box vom talentierten, aber sehr labilen Teenager immer wieder gestenreich angesprochen wurde. Man hätt´s von den Lippen lesen können, wenn man es schon nicht gehört hatte: Ja, was willst machen, wenn die Bälle da fast bis zum Horn oder Hahnenkamm fliegen, vor allem mit der Vorhand? Ja, was willst machen, wenn auf der anderen Seit´n einer steht, der ein Dutzend Jahre und hundert Turniere samt Davis-Cup-Erfolgen älter ist? Und. Und. Und.
Trotzdem muss man für Schwärzler alles andere denn schwarz sehen. Für Joel Josef spricht die Jugend und die Zeit, die für ihn arbeitet, immer vorausgesetzt, er arbeitet so hart an sich, dass errungene Siege für ihn sprechen und nicht verbale oder mediale Vorschusslorbeeren, die oft schwerer zu erfüllen sind, als manch Blauäugiger glaubt oder aber aus Fehleinschätzung so vermittelt wird. Aber das ist ein anderes Kapitel, mit dem sich unsereins auch im Kitz-Konnex noch beschäftigen wird.