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Mikaela Shiffrin: Jetzt gleichauf mit Lindsey Vonn und doch eine ganz andere Ski-Queen

Morgen wartet das Night-Race auf der Maier-Piste in Flachau, das Pendant der Damen zum Schladming-Spektakel in zwei Wochen. Wir Österreicher, alpine Ski-Fans vom Scheitel bis zur Sohle, können allerdings unsere Slalom-Girls nach aktuellem Stand der Dinge und nach Adam Riese nur an-, aber kaum abfeiern, es sei denn, es geschieht über Nacht ein Wunder. Dafür aber können wir einer Ski-Queen zujubeln, die rundum nicht immer, aber sooft an Perfektion grenzt, dass sie jetzt in Kranjska Gora mit dem 82. Weltcupsieg den Damen-Rekord der Speed-Queen i. R., Lindsey Vonn, egalisiert hat.

Und das alles im Alter von nur 27 Jahren, in dem ihre US-Vorgängerin, Trendsetterin, Wegbereiterin, Weggefährtin, aber auch interne Rivalin erst 53 Erfolge auf dem Konto hatte. Wenn ihr ebensolche Verletzungspausen erspart bleiben, die letztlich auch das Stehauf-Weibchen Vonn, vormals Kildow, immer wieder gebremst hatten, dann … Ja, dann wird wohl der Stenmark-Allzeitrekord von 86 Siegen noch diesen Winter gelöscht sein, da kann man darauf wetten. Und wie gesagt, die Rede ist immer nur von Weltcupzeiten, deren Rechnung erst mit dem Jänner-Slalom 1967 in Berchtesgaden begonnen hat. Aber das ist eine andere Geschichte in der Skigeschichte.

Wenn von Shiffrin und Vonn die Rede ist, dann eint die beiden Queens nur die Spuren, die sie auf den Pisten hinterlassen, der US-Pass und die echten blonden Haare. Ansonsten könnten beide verschiedener nicht sein in ihrem Wesen, ihrem Auftritt, ihrem Stil und auch dem Image, das sie pflegen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit an jenen Mann erinnern, der sie einst als Ski-Profi i. R., Atomic-Skiverkäufer und späterer Produktionschef entdeckt, ihren von ihm angekündigten Gipfelsturm noch verfolgt, aber den Tag, an dem sie in Kranjska zu Vonn aufschloss, nicht mehr erlebt hat. Die Rede ist vom leider im August 2021 verstorbenen Rupert „Killy“ Huber, einem Original, das einst mit Namensvetter Rudi Huber ein Erfolgs-Duo bei Atomic gebildet hatte, den Jung-Teenager bei Schülerrennen gesehen und vom Fleck weg auf Jahre für seine Ski-Firma engagiert hatte.

Als Profi war der ältere Huber trotz Kosenamen kein Killy gewesen, was aber seinen Durch- und Scharfblick für Talent(e) betraf, da war er sozusagen ein Weltmeister im Scouting. Wenn eine Mikaela, damals erst 12 oder 13 Jahre, den um einige Jahre älteren um vier, fünf oder sechs Sekunden davonfahre, dann werde sie sich auch als frühreifer Weltcupdebütant durchsetzen. Gesagt, getan auf Masters Voice. Schon bei ihrem vierten Weltcupstart fuhr sie als Achte unter die Top 10. Einen Monat später stand sie Lienz als Dritte hinter Schild und Maze erstmals auf dem Podest. Ein Jahr später gewann sie in Are ihr erstes Rennen. Und zwei Monate später holte sie in Schladming (Slalom) den ersten von sechs WM-Goldmedaillen.

Und jetzt, fast zehn Jahre später, ist aus dem einstigen Wunderkind eine reife Allzeitgröße geworden, die schon im Olymp thront, aber nicht abgehoben wirkt, sondern mit beiden Beinen auf dem Boden geblieben ist. Anders als bei Vonn, die auch im Ziel-Zelt stets das Schminkköfferchen dabeihatte, bevor sie zu Interviews kam, anders als der Ski-Vamp, der sich an die Devise: Sex Sells hielt, verlief die Karriere von Mikaela Shiffrin so gut wie friktions- und skandalfrei, selbst aus der Trennung vom französischen Kurzzeitfreund Faivre wurde kein Aufsehen gemacht wie bei den Liebschaften oder auch nur Liebeleien von Lindsey, die allzu gerne mit einem Weltstar wie Golf-Tiger Woods posierte. Für Mikaela galt und gilt immer; Family first! Erst recht nach des Vaters frühen Tod, der sie mehr mitgenommen hatte, als sie zugeben wollte. Inzwischen hat sie den Schicksalsschag verkraftet, Inzwischen scheint sie beim norwegischen Speed-Oberelch Kilde in festen Händen und im Glück ihres Lebens auch abseits von Skipisten.

Wie in Kinderzeiten, so fährt Shiffrin wie damals, als sie „Killy“ in seinen Rennstall holte, noch mit auf Atomic-Ski von Sieg zu Sieg. Wie einst von ihrem Manager Kilian Albrecht vermittelt, trägt sie am Helm immer noch das Logo der italienischen Spaghetti-Firma zur Schau. Mikaela Shiffrin, deren verehrter, vermisster Papa des Talents der Tochter wegen von der Ostküste ins schneesicherere Vail gezogen war, ist ein Symbol für Konstanz, für Beständigkeit, für Loyalität und damit auch für eine nur durch die unerwartete Peking-Olympiapleite kurz unterbrochene einzigartige Erfolgsserie, die ihr universelles Können, ihre grandiose Technik, aber auch ihren Mut spiegelt. Zu 51 Slalomsiegen gesellen sich 17 im Riesenslalom, 5 im Super G, 5 in Parallelrennen, 3 in Abfahrten (obschon sie spät einstieg und oft verzichtete) und nur ein einziger, winziger in der (Super)-Kombination, von der es sehr wenige gab. Hätte es derer mehr gegeben, hätte sie wohl Stenmark schon überholt. Nur eine Frage kurzer Zeit, bis Shiffrin das nachholt.  Welch Wink der Skigötter, dass ein Pistenfeger i. R. wie Hermann Maier die neue Ski-Queen in Flachau willkommen heißt.

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