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Nachruf auf Original Pazderka: Daviscup-, Bratpfannen-Spieler, Lebenskünstler

Alles hätte ich erwartet, nur nicht das, als mir mein alter Sportfreund Hans Kary gestern vormittags am Telefon sagte: Wennst sitzt, dann hauts dich vom Hocker! Ich dachte an irgendwas bei Fußball-Euro oder im Tennis, wo der Verband im Park-Club eine Veranstaltung hatte, aber nie im Leben an diese Schreckensnachricht: „Du Seppl, der Patzi is´ g´storb´n!“

Der Patzi oder nur Schurli für Georg Pazderka, ein skurriles, schräges Wiener Original. Am Vorabend hatte ich ihn noch getroffen, hinbestellt ins Wettbüro beim Naschmarkt, wo er von Wimbledon bis Chile, von WM und Euro bis Unterligen auf fast alles ein paar Kreuzer setzte. „Sepperl, du kennst die aus – wo spielt Kiffen? Zweite Liga, aber wo…?“ ich hab´s noh im Ohr, die letzten Worte, die ICH von ihm gehört hab´. Gestern rot, morgen tot. Zwar 82 und vier Monate alt, aber vermeintlich quicklebendig. So kann man sich täuschen…

Der Schurli war mein ältester Freund, den ich mehr als 70 Jahre gekannt hab. Als kräftig, drahtiger Bub aus dem 65er-Haus in der Landstraße, wo er auf den Tennisplätzen des Asthmatikers Stollberg gegen Kleingeld mit seinem Bruder Pimpi die Bälle aufklaubte oder gegen die Wand drosch, war er ins Metzger-Gasthaus (Nr. 55-57) gekommen, um sich Stärkung zu holen. In legendären Menage-Schalen übereinander, die meine Tante Hilda als Küchenchefin randvoll mit Doppelportionen füllte, „weil die Buam ja so viel rennen müssen…“

Als Dank, wenn uns bei Frau Pesendorfer nicht der Schalk im Nacken saß, wechselte das Naturtalent, das sich von Kapazundern wie Kurt Herzig, Hansi Wurm oder „Boba, dem Jugo“ alles abgeschaut hatte, mit mir am hintersten Platz die Bälle. Und nicht nur ich, sondern Gleichaltrige, hat damals der Neid gefressen, dass er sich als Teenager eine der feschesten Schulkolleginnen angelacht hatte. Und wenige Stunden vor seinem Ableben soll er, so sagt Hansi, auch noch Schmäh bei einem Drink geführt haben…

Patzi, alles andere denn ein eitler Feschak, hatte eine Gosch´n wie ein Schwert aus alten Zeiten, dazu Charme und jenen Schuss an Frechheit, die siegt. Als Teenager heiratete er in die Mautner-Markhof-Familie, ging nach Down Under, wurde dreifacher Vater; kehrte heim und schaffte es ins Daviscup-Team, wo ich ihm nach vielen Jahren als Jungjournalist wieder begegnete. Ich erinnere mich eines Duells mit Frankreich am Park-Club gegen Pierre Barthez spielte, damals in etwa das Kaliber eines Andrej Rublev, dem er zum Auftakt den Aufschlag abnahm, ehe ihn der Weltklassemann aus den Socken schoss. Damals lernten sich auch Schurli und Hansi, die später Unzertrennlichen, erst richtig kennen.

Das Debakel gegen Barthez nahm Patzi mit Humor wie viele Rückschläge privater und geschäftlicher Natur in seinem mehr als bewegten Leben. Auch als Cafetier oder Sport-Shop-Besitzer im Marchetti-Schlössl – wiederum bei mir ums Eck, jetzt aber im sechsten Bezirk. Eben dort, wo er nochmals verheiratet und später Jungvater war, kehrten sogar Weltstars wie der erste Wien-Sieger Vitas Gerulaitis ein, wenn sie wieder im Lande waren.

Ob Deutsch, ob Englisch, beim Schurl lief der Schmäh. Auch als Witzbold, der statt zum Racket zur Bratpfanne griff, um dort sein Gefühl zu demonstrieren. Umtriebig, Kein Kind von Traurigkeit. Ein Original alter Schule, wie sie aussterben. Mit ihm ist´s eines weniger, um das wir fassungslos trauern. Und das wir vermissen. Leb wohl Schurli, wo immer. Vielleicht triffst ja auch meine Tante Hilda wieder, die dich mit vollen Schüsseln als Bub so bemuttert hat…

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