Metzger.Live

Nur zu hoffen, dass Thiem nicht bei vollen Schüsseln sportlich verhungert

Es geht nicht wirklich bergauf, sondern ganz schön rasant runter, immer schneller, immer weiter. Ob aller schlechten Dinge drei bleiben, also drei Niederlagen in Folge nach der Rückkehr zum Turniertennis, das scheint angesichts der anstehenden 1000er-Masters in Madrid und Rom und danach noch in Genf mehr als zweifelhaft. Wer immer unter den echten, aber auch selbsternannten Experten gesehen hat, wie Thiem gegen den mehr oder weniger erfolgreichen, französischen Challenger-Spieler Benjamin Bonzi (26, 7 Challenger-Siege, Nr. 58) an der Estoril-Nebenfront gespielt und die Tiebreak-Chancen zum Satzgewinn verjuxt hat, der kann dem allgemein verbreiteten Zweckoptimismus wenig abgewinnen. Und auch die Körpersprache, oft Ausdruck innerer Bereitschaft oder lodernden Feuers, verrät alles, nur keine Trotzreaktion a la: Jetzt erst recht!

Wohin sind sie gekommen, die fabelhaften Schläge, die Dominic vor der langen (Verletzung)-Pause ausgepackt hat – und woher nehmen, wenn von der Beinarbeit bis zur Antizipation, vom Service bis zur Schlagtechnik wenig zusammenpasst? Wie die Dinge liegen, so wird Thiem demnächst aus den Top 100 der Welt rutschen, was so wirklich schlimm erst wird, wenn er – der Handgelenkswurzel allen Übels – kein geschütztes Ranking mehr hat, auf Wildcards angewiesen ist oder sich wie in seinen jungen Jahren und Anfangszeiten durch die Qualifikationsmühle drehen muss.

Wenn sie mich fragen, dann wäre das mittlerweile schon ein Schreckensszenario, weil die Dichte an immer besseren, immer hungrigeren, immer schlagkräftigeren Nachwuchsleuten immer dichter und immer besser wird. Und es schon in Qualifikationen so zugeht, wie jetzt in ersten Runden von Turnieren wie Marbella, Belgrad oder Estoril, wo sich für und bei Thiem sozusagen Anfang und Ende, leise Zuversicht und enttäuschte Hoffnung zuletzt begegnet haben.

Niemand hat je bezweifelt, dass auch für einen ehemaligen Grand-Slam-Sieger und eine Nr. 3 der Welt ein Comeback alles, nur kein Kinderspiel wird, weil ja alle verstreuten bis verlorenen Puzzleteile wieder zusammengefügt werden müssen. Aber wenn ich sehe, wie sich ein zuvor noch erfolgreicherer und vom Verletzungs- und Operationsgrad noch weit härter getroffener, noch weit länger außer Gefecht gesetzter, sechs Jahre älterer Andy Murray gegen das Schicksal aufbäumt und mittlerweile sogar schon ein 500er-Semifnale erreicht hat, dann fehlt mir bei unserem „Domi“ nach den TV-Lokalaugenscheinen dieser unbeugsame Widerstandswille und absolute Selbstüberwindungstrieb.

Ja, jedes Comeback ist ein schweres Unterfangen und nicht jeder kann sich mit einem Nadal oder ähnlichen Kalibern messen, es sei aber erinnert, dass eben dieser „Rafa“ als 35jähriger, personifizierter Fighting Spirit nach einem halben Jahr Spielpause nach Australien kam, sah und fortan bis zum angeknacksten „Ripperl“ in Indian Wells alles gewann, was zu gewinnen war, die Australian Open inklusive.

Und wenn ich in der Vergangenheit blättere, dann kann ich nur hoffen, dass er irgendwann beim „Retourgang“ den Overdrive so einlegt wie ehedem ein Andre Agassi, der nach dem Olympiasieg von Atlanta bis auf Platz 144 abgestürzt war, um drei Jahre später nach Wimbledon, Melbourne und New York auch die French Open zu gewinnen – und dazu das Herz von Steffi Graf. Na Dominic, nimm dein Schicksal in die Hände, um samt Herzblatt Lili so bald wie möglich auch wieder im Tennisglück zu schwelgen. Zu spät ist´s jedenfalls noch nicht mit 28 ½ Jahren. Aber Eile ohne Weile wäre schon angesagt, damit unser einstiges Idol sportlich nicht bei sonst vollen Schüsseln verhungert.

Die mobile Version verlassen