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Radweltmeister Evenepoel oder: Vom fast schon Totgesagten ins Regenbogentrikot

Wer ein großer Radsportfan ist, der wird sich vielleicht an einen Horrorsturz bei der Lombardei-Rundfahrt 2020 erinnern, dem letzten Klassiker der Saison. Ein junger, hoffnungsvoller Belgier namens Remco Evenepoel, als Star von morgen und neuer Merckx gefeiert, war im hohen Tempo gegen einen Brückenpfeiler geprallt und dann zehn Meter hinuntergestürzt, für die Kameras nicht mehr zu sehen. Die Rad-Welt hielt den Atem an, Teamkollegen, Teamchefs und Gegner bangten um das Leben des Jung-Twens, der mit allzu viel Mut zum Risiko an die Spitze stürmen wollte.

Der Kelch war an ihm vorübergegangen, mit einem Beckenbruch, Prellungen und Gehirnerschütterung war er beim Absturz dem Tod von der Schaufel gesprungen. Wer gefürchtet hatte, dass es das frühzeitige Ende eines Wunderkindes werden könnte, der hatte sich geirrt. Nach dem Leitsatz: Was mich nicht umbringt, macht mich noch stärker, erhob der rekonvaleszente Jung-Twen Remco das geflügelte Wort: Totgesagte leben länger, zu seinem Lebens- und Profisportler-Prinzip. Nicht nur das Dazu hielt sich der junge Belgier an die Devise: Wer nichts wagt, der kann nichts gewinnen.

Von diesem Motto konnte ihn auch der nächste schwere Sturz, der ihn aus seinem ersten Giro d´Italia (2021) und dort aus den Top Ten geworfen hatte, nicht abbringen. Ganz im Gegenteil suchte der gute Remco immer wieder sein Heil in der Soloflucht, um Gegner schon abzuhängen, bevor sie ihn womöglich im Sprint schlagen können. Dass er nicht nur Tempo bolzen kann, sondern auch als ein sogenannter „Klettermaxe“ ist, bewies Evenepoel vor kurzem bei der Vuelta d´Espana, in der dem slowenischen Triple-Sieger und Topfavoriten Roglic erst das rote Trikot abnahm und so lange verteidigte, bis der Slowene nach Sturzverletzungen das Handtuch werfen musste.

 Die Form und das Selbstbewusstsein, mit denen der Flachländer die extrem schwere, mit Bergankünften gespickte Spanien-Rundfahrt gewann, wurde zum Vorschuss auf den nächsten, wichtigsten Triumph, der ihn jetzt in der Tat zum neuen Eddy Merckx gemacht hat. Remco Evenepoel hätte sich nicht spektakulärer zum neuen Radweltmeister und zur absoluten Nummer 1 der Rad-Welt krönen können als mit einer unglaublichen Alleinfahrt zum Sieg und ins radsportlich begehrte, historisch-geografisch gewählte Regenbogentrikot. Und diese Streifen darf er wie alle Weltmeister jetzt nicht nur ein Jahr, sondern immer am Ärmel tragen. Als Zeichen der Größe eines ganz Großen, der aus der Hölle kam, um kraftvoll und unaufhaltsam in den Radhimmel zu pedalen..,.

 

PS: Ähnlich mutig und bewundernswert war am Vortag die fast schon besiegte Favoritin Annemiek von Vleuten (NL), die mit gebrochenem Ellbogen  (Sturz im Mixed-Zeitfahren) das WM-Gold mit einer gewagten Solo-Schlussattacke gewann.

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