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Sieg aus 5-Stern-Tennis-Haft

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Es war ein netter Heurigenabend beim Zeiler in Neustift am Walde mit Nicolas Massu, dem netten, zwanglos plaudernden, bass erstaunten Thiem-Coach. „In welchem Ort sind wir da? Was, das mit Weingärten und Villen gehört auch noch zu Wien…?“ Der Chilene aus Vina del Mar verteilte aber  nicht nur Streicheleinheiten an Wien und Wiener Sportjournalisten („Kein Vergleich zu Landsleuten, Amerikanern oder Deutschen!“), sondern referierte im Rückblick sowohl über die harten Trainings-Sessionen mit seinem Vorzugsschüler als auch über die ganz neuen Herausforderungen, die auf alle Spieler und Betreuer vor und bei den US-Open in New York warten.

Nicht einmal in den schlimmsten Sowjet- und DDR-Zeiten war die Bewegungsfreiheit so eingeengt wie vor Cincinnati-Masters und Grand-Slam-Turnier! Sie beschränkt sich auf Hotel (höchstens mit Frau, Freundin oder Kind), Shuttle-Service nach Flushing Meadows, Solopagat in der Umkleidekabine, maximal zu Zweit in der Players Lounge (Thiem-Manager Straka: „Da gibt´s auch alternatives Entertainment im Fernsehen!“) und dann wieder zurück in die 5-Stern-Bude im Umkreis des früheren Weltausstellungsgeländes, stets begleitet vom alltäglichen Corona-Test! Andersrum: Training, Matches, Training, Matches maximal mal sieben, wenn man wie Dominic Thiem das Endspiel und den ersten Grand-Slam-Triumph im Visier hat.

Seitensprünge zu Restaurants in Manhattan? Verboten! Morgendlicher Auslauf rund ums Hotel, um sich fit zu halten? Irrtum, da sei das Laufband in Flushing Meadows davor! Tennis, nichts als Tennis und außer Seitenblick zum Fernsehen kein Ausgleich, also etwas für Puristen, die nichts anderes im Kopf haben Und das, geneigte Blog-Leser, wird das Kriterium dieses bis dato ungewöhnlichsten US-Open-Grand-Slams der jüngeren Geschichte werden.

Gretchenfrage: Wer schafft es, all das auszublenden, sich ganz ohne Entourage, Familie, Medien, VIP´s und Sponsoren quasi auf engsten Raum nur auf Ball, Schläger, Netz und Gegner zu konzentrieren, ohne in Monotonie zu verfallen oder gar den mentalen Aufstand zu proben? Herwig Straka, der übrigens einen Bogen um die US-Open macht („Was soll ich dort – keine Sponsoren, keine Ansprechpartner!“), hat nicht so unrecht, wenn er überspitzt sagt: „Man kann´s ruhigen Gewissens mit einem luxuriösen Gefängnis vergleichen, in dem die Spieler da reingesteckt werden. Und g´winnen wird der, der das am besten von allen wegsteckt!“

Beim heuer erst zweiten und nicht letzten Grand-Slam des Jahres gilt mehr denn je die alte Sportweisheit, dass Erfolge nicht nur Hand und Fuß haben müssen, sondern letztlich der Kopf entscheidet, wer die Nase vorn hat. Im wahrsten Sinn des Wortes, weil´s im Sport ja immer enger zugeht, ein (Out- oder Netz-) Ball auf oder ab heutzutage über Wohl und Wehe, Sieg und Stellenwert, Major und Millionen entscheiden kann. So betrachtet mag dieser „Häftlings“-Titel trotz Abwesenheit eines Nadal, Federer und Co womöglich noch viel schwerer zu erringen und damit vielleicht auch mehr wert sein, als es auf dem geduldigen Papier ausschaut…

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