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Superstars wissen eben, wie und wann man den „Djoker“ ziehen muss

Es schien schon so und die Fans witterten es bereits, dass es dem nächsten Favoriten an den Kragen geht, nicht irgendeinem, sondern dem erfolgreichsten Grand-Slam-Sieger und der längst dienenden Nummer 1 der Welt, dem mehrheitlich in den USA und beim US-Open eher ungeliebten Novak Djokovic. Und das gegen seinen serbischen Landsmann und jahrelangen Sparringpartner ungarischer Wurzeln, Laslo Djere, gegen den Dominic Thiem, noch ohne Gastritis, in Kitzbühel mehr als ein halbes Dutzend an Matchbällen abgeschmettert hatte, um zu gewinnen. Also ein jüngerer, alter Freund, aber doch eine vergleichsweise kleine Nummer im Programm.

Mit zwei 4:6 verlorenen Sätzen lag Djokovic zurück, als er eine Toilettenpause nahm, die er dazu nützte, wie er später im Post-Match-Interview gestand, sich mit dem Blick in den Spiegel in die Augen zu schauen, sich selbst zu beschimpfen und zu fordern, doch endlich den „(D)Joker“ zu ziehen. Und wie das im Normalfall so ist, wie es auch diesmal der Falle werden sollte und dann war, so sind die Besten der Besten nicht nur auf der Tennis-Welt tatsächlich fast immer in der Lage, einen Schalter umzulegen, um eine drohende Niederlage in einen letztlich eindeutigen Sieg zu verwandeln.

Wie Djokovic gegen Djere mit 4:6, 4:6, 6:1, 6:1, 6:3, wobei er am Ende noch ins Schwitzen kam, als er nach 5:1 im 5. Satz noch einmal einen und fast einen zweiten Aufschlag abgeben musste oder fast verloren hätte. Aber in solchen Grenzsituationen kehren eben Superstars in der Regel das andere Kaliber hervor, das immer noch – frei nach dem ersten Becker-Coach Günther Bosch – Tricks in der Tasche und Asse im Ärmel hat. Wäre es anders, dann hätte der Serbe trotz einiger Corona-bedingter und weiterer, anders motivierter Turnierausschlüsse wegen nicht 23 Grand Slams im Sack und das zweite Dutzend vor Augen.

Wie aber kann ein Mann wie Djokovic, von dem einige meinen, er wäre vielleicht der beste Tennisspieler aller Zeiten, derart ins Wanken kommen gegen einen, der normal stolz ist, mit ihm Bälle zu wechseln? Weil der Djoker – und das ist meine ganz persönliche, subjektive Meinung, -vielleicht in keinem Tennisbereich, Fitness einmal ausgenommen, die Nummer 1 ist, weder die Eleganz eines Federer hat, noch die Torero-Aura eines Nadal, aber Djokovic ist sicher der universellste Tennisspieler mit ausgeprägten Stärken, was die Schläge betrifft, aber auch jener Spieler, der in Normalform die wenigsten leichten Eigenfehler begeht. Und der dann, wenn es darauf ankommt, auch mit 36 immer noch die entscheidenden Punkte macht. Zwei Sätze lang aber war Djokovic kein Spiegel-, sondern bei allem Respekt vor Djere nur ein Zerrbild des so konstanten, fehlerfreien Novak, der sich kaum wiedererkannte. Der Rest ist Geschichte.. 

Man darf gespannt sein, wie sich der 5-Satz-Sieg, den er um ½ 2 Uhr nachts im Drittrundenduell der US-Open fixierte, für die zweite Woche der US-Open auswirkt. Totgesagte, so heißt es, leben meistens länger. Wie Novak Djokovic, auch als Stehaufmännchen ein Evergreen. Auch wenn er Geister und Fans scheidet…

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