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Traudl Hecher oder: Vom gefeierten Wunderkind zur leisen Ski-Mama, die Spuren zu Gold legte

Und wieder heißt´s Abschied nehmen für immer von einem Ski-Liebling der Nation aus der späten Nachkriegszeit. Waltraud Hecher, die für uns alle nur die Traudl war, ist im 80. Lebensjahr verstorben. Anders als ihre Ski-Kinder aus der Ehe mit dem Seelsorger-Sportpsychologen Görgl, den zweimaligen Weltcupsieger Stephan und Doppelweltmeisterin Lizz, hab´ ich das einstige Pisten-Wunderkind aus Schwaz in Tirol persönlich erst kennengelernt, als Frau Tochter einen Rücktrittsempfang in Salzburg (2016) gab. Da war die mittlerweile weißhaarige Traudl sozusagen noch in alter Frische unter den Leut´n und mit den Gedanken ein bisschen in der glorreichen Vergangenheit gewesen, als ich ihr erzählte, ein Schüler des legendären, einarmigen, fast allwissenden „Presse“- und ORF-Sportdoktors Kurt Jeschko zu sein.

Ja, da tauchten wohl bei ihr, aber auch bei mir die Bilder aus ihrer Glanzzeit auf, die nur in Schwarzweiß-TV und in (Fox-Tönende) Wochenschau, ebenso SW, zu sehen gewesen sind. Sie war in meinem Alter, also 16, als sie in die Weltklasse platzte damals, aber trotz vieler Siege nicht im Alleingang, sondern begleitet von anderen Wunderkindern, die da Marianne Jahn (verh. Nutt), Erika Netzer, Christl Haas, Edith und Heidi Zimmermann, aber auch Christl Staffner (verh. Herbert) hießen. Eine Armada an Teenagern und Twens, die dem damaligen Establishment das Fürchten lehrte. Ehe Traudl in Squaw Valley als bisher jüngste Ski-Medaillengewinnerin ihr erstes von zwei olympischen Abfahrts-Bronzenen (auch 1964) gewann, hatte sie schon in Kitzbühel ihre Sensationsspuren hinterlassen – als Hahnenkamm-Abfahrtssiegerin, aber nicht auf der berüchtigten „Streif“, sondern links vom Start auf der „Asten“ über die Einsiedelei.

Traudl Hecher (o. l.) in Innsbruck 1964,

bei Olympia 60 und in voller (Ab)Fahrt.

In ihren besten Skijahren zwischen 16 und 24 gewann sie etwa 50 Rennen und errang zahllose Podestplätze, die sie mit ihrem entwaffnenden Lächeln und den blitzenden Augen zu einer – heute würden man so sagen – Ikone des weißen Sports machten. Hecher hier, Traudl da, Termin dort, Erfolg irgendwann fort. Annemarie Moser-Pröll, damals nur ein Sternchen, erlebte Hecher noch bei einem Trainingskurs, ehe die Tirolerin mitten in einem anderen am Faaker See die Koffer packte und den damaligen Frauen-Cheftrainer Hermann Gamon bat, sie irgendwo anders hinzuführen, um dort Abstand vom Temporausch, Erfolgsdruck und Skizirkus zu finden. Über Nacht. Einfach so. Und doch anders als andere wie Kronberger oder Mayer. Burnout, damals kein Begriff, würde man heute sagen.

Der Mann, der sie als Seelsorger und Mentalbetreuer zurück in die Normalität verhelfen sollte, wurde auch ihr Ehemann: Magister Anton Görgl. Ihm schenkte sie drei Kinder, von denen zwei ihren Rennlaufspuren folgten, eben Stephan, der zwei Weltcuprennen gewann und mir in Val d´ Isere einmal schmunzelnd verriet, wie er in der religiösen Familie an Sonntag die heilige Messe „gestagelt“ hatte, um lieber Schwünge im Schnee zu ziehen. Und die Lizz, die 2009 in Val d´Isere mit WM-Bronze und 2010 in Vancouver mit zweimal Olympia-Bronze die Mama schon ein- und überholt hatte, krönte sich im Jahr darauf zur Doppelweltmeisterin, die damals ihre musikalische Ader beim WM-Song dem TV-Publikum präsentierte. Zur Freude ihrer Mutter, die auf ihre Kinder so stolz war wie die Kinder auf ihre Mama, der seit 1960 die Herzen der Österreicher zugeflogen waren. Jetzt hat das Herz der liebenswerten Traudl zu schlagen aufgehört. Für alle, die sie gesehen und erlebt haben, wird sie unvergessen bleiben.

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