Rotweißrot, das ist nichts für – pardon pour l´expression – olympische Schwarzmaler. Jetzt hat Österreich, seit Peking ausgehungert, schon den kompletten Medaillensatz in Tokio auf dem Konto. SportlerInnen- und Patrioten-Herz, was willst du mehr. Gut möglich, dass die Gold-Anna-Sensation so etwas wie Rückenwind fürs österreichische Team war, zumindest für einige Athleten. Nach Bronze für den Tschetschenen-Flüchtling Borchashvili gab´s jetzt die zweite Judo-Medaille durch Michela Polleres, die schon vor zwei Jahren die Weltklasse öfters aufgemischt und auch ein Podest beim Tokio-Masters erkämpft hatte, danach ein Tief durchtauchen musste, als Weltranglistendritte oder – vierte nicht einmal in die Shortlist für Österreichs Sportlerinnen des Jahres aufgenommen worden war, ehe es im Frühjahr 2021 mit WM-Bronze ein tolles Comeback gab. Und jetzt hat sich das Judo-Kind ihres Langzeitmentors aus Wimpassing, Adi Zeltner, mit bewundernswertem Einsatz bis ins olympische Finale gekämpft, wo sie durch eine Video-Wertung für die Japanerin Ito gestoppt wurde.
Verständlich, dass die 24-jährige Michaela im ersten Moment mehr mit den Tränen der Enttäuschung statt solchen der Freude kämpfte, emotional hin- und hergerissen war, gar nicht wusste, wie sie verlorenes Gold, aber gewonnenes Silber in Worte fassen sollte. Die Fernseh-Bilder, die Polleres in ihrem fast hilflosen Kampf zwischen Hochgefühl und Katzenjammer zeigten, waren insofern höchst eindrucksvoll, weil sie einen spontanen Blick ins Innenleben eines Topsportlers vermittelten. Und die auch schonungslos vor Augen führten, dass Siegertypen eben immer gewinnen wollen und sie sich selbst dann, wenn´s olympisches Silber gibt, in einer ersten Reaktion als erste Verlierer fühlen. Das war, um das vielleicht berühmteste und spektakulärste Ski-Beispiel zu nennen, bei einem Hermann Maier nicht anders. Davon können viele seiner Bezwinger ein Lied singen…
Jetzt, da der Knoten gepatzt ist, auch und vor allem bei den österreichischen Judoka, scheint nichts mehr ausgeschlossen, alles möglich zu sein. Auch für eine Bernadette Graf, die ja schon vor fünf Jahren in Rio de Janeiro an einer Medaille geschnuppert hat, danach sowohl OP´s als auch Zwangspausen überstanden und sich wieder zur Weltspitze zurück gekämpft hat. Vor allem SportlerInnen, die Höhenflüge erlebt, aber auch Talfahrten hinter sich haben, bringen spezielle Tugenden mit, die andere gar nicht kennen. Und sind daher imstande, sich von Pechvögeln ins Glücksinder zu verwandeln. Michaela Polleres, das Mädel aus dem Raume Neunkirchen, gehört ebenso dazu wie Shamil Borchashvili. Rotweißrot hat, so scheint es, das olympische Pech endgültig aufs Kreuz gelegt. Persilschein für die Güte des heimischen Sports aber ist´s noch lange keiner und sollt´s auch keinen geben…