Den Anfang machten schon vor langem die Staatskünstler, die linientreu die Botschaften ihrer regierungsnahen Brötchengeber entweder mündlich oder schriftlich propagierten. Inzwischen sind, in Schwung gebracht durch die Anti-Trump-Welle, auch immer mehr Sportmillionäre an der Reihe, ihre oder anderer Anliegen, ihre oder anderer Gesinnungen, ihre oder ihresgleichen dem medialen Mainstream angepasste Parolen oder Gesten möglich plakativ an die Öffentlichkeit zu tragen. Das soll noch einer der Politiker im Widerspruch zur Realität sagen, Sport hätte nichts mit Politik zu tun, das müsste man trennen. Aha und Oho.
Die politisierte Sport(ler)-Gegenwart schaut jedenfalls anders aus. Das hat vor gut einem Jahr mit einem der großen American-Football-Stars begonnen und viele Nachahmer gefunden, die sich bei der US-Hymne als Zeichen des Protests hinknieten statt vor Stars and Stripes stramm zu stehen. Das ging dann nach den Brutalo-Übergriffen von US-Polizisten am Afro-Amerikaner George Floyd weiter mit der Black-Lives-Matter-Bewegung, mit der sich Sportstars auch in Europa verbrüderten, bis zu – ja, bis zu einem, bei dem man sich nur wundern kann, dass er sich angesichts sportlicher Pleiten bis Demütigungen ausgerechnet beim Grand-Prix der Türkei als Gutmensch und Weltverbesserer präsentiert.
Wie das und in welcher Form, bitte schön? Freund Vettel, bei Ferrari entzauberter Vierfach-Exweltmeister, hat zwar sportlich den Scherm auf, dafür setzte er sich zum Trainingsauftakt in Istanbul einen neuen Helm auf, der (seine) Überzeugungen möglichst fernsehwirksam transportieren und signalisieren soll. Und was unterscheidet den neuen Helm vom alten? Das Schwarzrotgold für Deutschland ist verschwunden, dafür wirbt der gute Deutsche aus dem beschaulichen kleinen Heppenheim bei Hockenheim jetzt mit Regenbogenfarben für Toleranz. Natürlich in der Türkei und TV-Welt!
Das kommt daheim bei der Nomenklatura ganz sicher gut an und hinterlässt guten Eindruck wie ein schönes Bild, da bin ich mir sicher. Ebenso sicher bin ich mir aber auch, dass es von Erdogan abwärts den türkischen Machthabern schnurzegal ist, welche Signale ein einstiger Überdrüber-Pilot aussendet, der mittlerweile untendurch ist, weil er hinten nachfährt. Mehr oder weniger erfolglose Lenkradakrobaten sind halt doch keine Staatskünstler. Und ihre aufgepfropften Botschaften eher entbehrlich denn nützlich, weil sie an der falschen Adresse zwar Aufmerksamkeit erregen, bei der richtigen aber auf taube Ohren stoßen. Oder, zynisch formuliert, in der Türkei sowieso im Formel-1-Tempo ignoriert werden. Drum sei dem sportlich „versohltem“ Herrn Vettel ins Piloten-Stammbuch geschrieben, oder besser an den Helm geklebt: Schuster bleib bei deinem Leisten.