Metzger.Live

Von Lobeshymnen für Jungstar, unfairen Pfeifkonzerten und Pfeifdrauf-Gefühlen

Nichts wurde aus den Hoffnungen der französischen Minimalisten, am 14. Juli, ihrem Nationalfeiertag, nach dem dritten EM-Titel greifen zu können. Es hat sich nicht zuletzt dank eines erst 16jährigen Wunderknaben des FC Barcelona aus-gescheiberlt und aus-verteidigt für die Truppe des künftigen Real-Madrid-Linksflügelflitzers, der seinem Ruf als schnellster Dribbelkünstler, aber trotz Führungstor auch als Chancenvernebler gerecht wurde. Für die Statisten nicht nur, aber vor allem aus der TV-Branche war´s natürlich ein Fressen, als Teenager Lamine Yamal sein Traumtor aus etwa 16 Metern genau ins linke obere Kreuzeck gezirkelt hatte.

Schon hatten sie in weiser Voraussicht die Daten bei der Hand, mit wieviel Jahren, Monaten, Wochen und Tagen der neue spanische Pele jetzt der jüngste Torschütze der Europameisterschaftsgeschichte geworden ist. Wenn man sich den Werdegang des Jungstars mit Weltstarpotenzial anschaut, dann war dieser Rekord ja überfällig, schließlich hatte Yamal seine ersten Tore für den FC Barcelona wie für das spanische Nationalteam schon vor knapp neun Monaten geschossen. Mit Links, weil das sein Schussbein ist, mit dem er Sonntag im Endspiel wieder treffen will. Für Spanien, Wahlheimat seiner Eltern aus Marokko und Äquatorialafrika. Aber auch als persönliches Geschenk zu seinem 17. Geburtstag, den er am Samstag feiert …

Genug der Yamal-Durchsagen bei aller Bewunderung für das Wunderkind, das mitunter aus Duellen mit älteren Routiniers fürwahr ein Kinderspiel macht. Nach dem Lob muss auch ein Rüffel an die deutschen Fans erlaubt sein, die sich mit Pfeifkonzerten ein Mütchen am spanischen Verteidiger Cucurella kühlten, jenem langhaarigen Chelsea-Legionär, dessen angeschossenes Handspiel beim 2:1 im Viertelfinalkrimi vom englischen Referee Taylor nicht geahndet, also kein Elfer gegeben und Deutschland, eh klar, der Sieg gestohlen worden war. Wo aber sind jetzt die besten aller Gutmenschen, die lauthals aufschreien würden ob dieses Musterbeispiels an Tiefschlägen für das ansonsten von der UEFA so penibel beschworene Fairplay? Ja, es kommt natürlich auf die Perspektive an, wobei in erster Linie die Devise regiert: Gut ist nur, was uns nützt. Und was uns schadet, das wird verpfiffen oder ausgepfiffen, wann immer es die Situation erlaubt, nicht wahr.

So nebenbei bekam der angehende Fußball-Pensionist Toni Kroos sein Fett nicht etwa deshalb ab, weil er mit mehr als nur einem Fehl- respektive Foultritt zu weit gegangen war, und eigentlich hätte Dunkelrot sehen müssen, sondern deshalb, weil er sich mit leiser politischer Kritik quasi abfällig über Zustände in seinem immer noch tollen Vaterland Deutschland geäußert hatte. So schnell konnte Kroos gar nicht schauen, geschweige denn nachlesen in (nicht nur sozialen) Medien, welch Shitstorm er damit auf Neudeutsch ausgelöst hat. Also mussten er oder seine PR-Berater blitzschnell alles dementieren, weil die inkriminierten Passagen falsch übersetzt worden wären. Langsam beschleicht einen angesichts des Aus- und Verpfeifens ein Pfeifdrauf-Gefühl, wenn Sport nur noch als Vehikel für ganz andere Interessen dient. Im Kleinen wie im Großen, von Fußball-Euro bis Olympia.

Die mobile Version verlassen