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Von Rekordler Nole, Spiderman Camilo und Erinnerungen an fürstlichen Gymnasialkollegen

Mitternacht war längst vorbei, als Novak Djokovic in Turin die Stunde schlug. In einem dreistündigen, gnadenlosen, nervenaufreibenden Schlagabtausch mit Holger Rune hatte der sonst so beherrschte Serbe zunächst zwei Rackets zertrümmert, ehe er den dänischen Jungstar mental demolierte. Jawohl, mit seinem Dickkopf, der nicht um die Burg zulassen möchte, dass er sich den Schädel einrennt. Mit dem 7:6, 6:7, 6:3-Sieg aber hat der nicht überall, aber in den meisten Arenen ungeliebte, jedoch unglaubliche Djoker unabhängig davon, wie es für ihn in Turin in seiner Gruppe weitergeht, wieder einmal geschafft, was noch keinem Tennisspieler in der Profi-Ära gelungen war: 400 Monate oder umgerechnet acht lange Jahre lang Nummer 1 der Tenniswelt zu sein. Und das im zarten Alter von 36 Jahren!

Zusammen mit den 24 Grand-Slam-Siegen wohl ein Rekord für die Ewigkeit, der einhergeht mit einer ebenfalls imposanten Jahresbilanz mit nur 5 Niederlagen, die letzte davon in einem schon jetzt legendären 5-Satz-Wimbledonfinale gegen Spaniens Kometen Carlos Alcaraz, mit dem es aber seitdem eher bergab, mit Djokovic, Spitzname Nole, aber bergauf ging, da können seine Gegner und vor allem Neider, die seine unbeugsame Hartnäckigkeit auch auf (parapolitischer)  Ebene nicht nur als  „Impfmuffel“ verteufeln, sagen was sie wollen.

Und wer dann am Ende des ersten Tages zu postmitternächtlicher Stunde gehört hat, wie sich der Serbe im fließenden Italienisch bei den Tifosi in Turin sowohl für seinen Ausraster entschuldigte und zugleich bedankte, dass sie ihn angefeuert hatten wie einen Landsmann, und wer gehört hat, wie er das alles auch noch zu früher Stunde in englischer Sprache mit Selbstkritik und Respekt vor Rune wiederholte, der musste den Hut ziehen und sich sagen: Chapeau, einfach Klasse, nein: Weltklasse. Was nicht nur Tennis betrifft, sondern auch das „Gesamtpaket“, hat der Ex-Djoker-Coach Boris Becker mit seinem Schützling noch viel Arbeit…

Wer in Sky surfte, der konnte Sonntagabend auch noch das Comeback eines fünf Jahre älteren Golfers bestaunen, der als Mensch und Vater durch Hölle und Fegefeuer gehen musste, um sozusagen den sportlichen Himmel auf Erden wieder zu erleben. Die Rede ist von Camilo Villegas, der als Junger aus Kolumbien nach Florida zum Golfen und zum Studieren gekommen war, als charismatischer Spiderman, der auf dem Bauch liegend die Grüns inspizierte, die Herzen der Fans erobert und sogar die höchstdotierten US-PGA-Finalturniere gewonnen hatte. Ja, der vermeintlich blonde Engel als Kontrastprogramm zum sündigen Tiger wurde – unverschuldet – wie kaum ein anderer vom Schicksal geprügelt. Erst waren es nur Narben, die Operationen hinterließen, ehe er und seine Frau die bitterste Pille schlucken mussten, die es für sie gab: Tochter Mia, die nur 20 Monate alt werden durfte, verlor den Kampf mit dem Krebs.

Es dauerte lange, bis Camilo wieder den Kopf frei hatte, um gutes Golf zu spielen. Nach einem zweiten Platz holte er nun auf den Bermudas zum großen Befreiungsschlag aus – erster Triumph mit 24 unter Par nach neunjähriger Durst- und Leidensstrecke bis inklusive 2025 den Kampf um die Tour-Karte erspart, die für den Steirer Matthias Schwab (Platz 53, 10 unter beim gleichen Turnier) wohl in ganz weite Ferne gerückt ist. Mit Frau und Familie war´s auch der (Golf) Sport, der für den Spiderman die beste Medizin war, um mehr als 15 Jahre nach der ersten seine zweite Golfkarriere im wahrsten Sinn des Wortes in Schwung zu bringen. Auch da kann man nur sagen: Hut ab!

Mit Sport hatte die dritte Person wenig am besagten Hut, vor dem ich ihn aber aus Respekt schon immer gezogen hab´, schon als ganz junger Gymnasiast in der Kundmann-Gasse im dritten Wiener Gemeinde-Bezirk. Ob in der erstem zweiten oder dritten Klasse, wir Jungspunde haben aufgeschaut zum fünf Jahre älteren Kari Schwarzenberg, der nicht immer, aber sehr oft kurz vor oder nach dem Läuten in Reitstiefeln zum Unterricht gekommen war, damals noch Prinz, aber im Gegensatz zum jüngeren Bruder Friedrich, dem begeisterten Kicker Fritzi, als Fürst in spe das sportliche Glück eher auf dem Rücken der Pferde suchte. Von seinem fröhlichen Treiben als fescher „Hasenjäger“, Mischung aus Errol Flynn und Clarke Gable, noch fernab vom Staatsmann der Zukunft, ganz zu schweigen. Mit der politischen Wende vollzog sich auch der Aufstieg des Kari zum Karel Schwarzenberg, der es als liberal-konservativer, polyglotter Parteiführer tschechischer Herkunft zum Außenminister beim Nachbarn brachte, aber nicht bis ins Präsidentenamt schaffte.

Einerlei, Kar(e)l Schwarzenberg war eine tolle Persönlichkeit, der ich vor einem Jahr, als er schon im Rollstuhl saß, anlässlich 100 Jahre Wagenburg in Schönbrunn noch einmal begegnete, ihm erzählte, wie wir ihn bewundert hatten ehedem in der Kundmann Gasse („Das is ja a Ewigkeit her!“), und dass wir mit dem Fritz, aus dem ein Bänker in der Schweiz geworden war, viele Schüler-Fußballmatches gespielt, gewonnen oder verloren hätten. „Müssen´s mehr schreien“, sagte er damals ganz ohne Selbstmitleid. „Wissen´s, ich bin schon taub auf einem Ohr!“ Er belustigte sich an der Frage des ORFlers, was er empfinde, wenn er – noch vor dem Eingangstor im Rollstuhl sitzend – durch die Kutschenparade wandle, und quittierte meine Frage nach Bruder Fritz so nobel, wie er war, mit den Worten: „Ja, der Fritz, der ist schon lang im Himmel!“ Jetzt sind die Brüder dort oben vereint.

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