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Von Strolz zu Strolz – eine märchenhafte, drehbuchreife Bestseller-Story

Alessandro Hämmerle, der erste heimische Snowboard-Crosser, der je Gold gewann, möge mir verzeihen, dass er trotz historischem Triumph heute nur die zweite Geige spielt. Das Strolz-Märchen, das Olympia geschrieben hat, ist einfach der beste, griffigste, nein: kitschigste Stoff, aus dem Träume sind. Ein Drehbuch, das Bestsellerautoren und Hollywood-Regisseure nicht schöner, nicht ans Herz gehender hätten schreiben und inszenieren können. Kein erfundener Bergdoktor, keine Krimi-Parodie, sondern aus dem wahren Skisport-Leben gegriffen.

Eine Vater-Sohn-Geschichte, die unter die Haut geht. Oder auf der Zunge zergeht. Jedenfalls historisch. Jedenfalls einzigartig. 34 Jahre zwischen dem Olympiasieg des Ewigen Zweiten Hubert Strolz und dem Olympiasieg des Sohnes Johannes Strolz, der aus dem Nichts kam, um nach einem sensationellen Adelboden-Slalomsieg das Peking-Ticket zu ergattern – und Olympiagold zu gewinnen. Wie der Herr Papa in der Alpinen Kombination, für die er als Notnagel nominiert worden war. Fantastischer Realismus, den der sportaffine Maitre Leherb, ein meisterlicher Maler, leider nicht mehr erlebt hat.  

Speed-Freak statt Speed-Muffel, standsicher statt sturzanfällig – eine goldene Kombination von Hannes-Strolz-Format

Von Strolz zu Strolz. Welch eine Cinderella-Story, würde der Hauptdarsteller Johannes keinen Bart tragen. Er war seinem Talent und Erwartungen solange nachgefahren, bis er darüber immer öfter stolperte – und im Frühjahr 2021 aus allen Kadern gestrichen wurde. Schnell hin oder her – zu wenig Punkte. Zu schlechte Noten. Nichtgenügend.  Ausgemustert. Abgeschrieben. Trainerlos. Selbstversorger. Kantenschleifer. Sponsoren-Eltern. Ratgeber-Papa. Leidensgenossen als Trainingspartner, mit denen er gemeinsame Sache machen musste. Und gegen die er dann, freundschaftlich, aber mitleidlos, um die Wette fahren – und sie ausbooten musste. Wie Digruber. Johannes kam, sah – und flog wieder raus in Val d´Isere.

Was nun? Das Verletzungspech anderer (Schwarz, Pertl) spielte quasi Schicksal für den Vorarlberger aus Warth bei Lech, den es so oft geprügelt hatte. Im dritten Anlauf, als er mit Nummer 38 in Adelboden triumphierte, war erst der erste Akt des Strolz-Märchens geschrieben, dem nun das goldene Happy End folgte. So schrieb sich, nein: schrieb Johannes Strolz selbst ein Drehbuch wie kein zweites vordem im Skizirkus. Und im olympischen Zyklus.

Wie der Vater, so der Sohn. Nein, wie bei den Mayers, wie bei Stadlober zumindest olympisch, so hat der Nachwuchs die Nase vorn. Wie Papa Hubsi, so ist auch Sohn Hannes jetzt Olympiasieger, aber er hat anders als der Vater keinen addierten Kleinkirchheim- Kombi-Sieg im Weltcup errungen, sondern eben jenen in Adelboden bei Schneefall und Nebel. Wer hätte damals, als manch einer noch eine Eintagsfliege unter speziellen, nebulosen Umständen vermutet hatte, von einem künftigen Olympiasieger zu sprechen gewagt. Schon gar nicht in der Kombi, für die sich der vermeintliche Abfahrtsmuffel, in dem ein Speed-Freak stecken dürfte,  erst mit den FIS-Punkten beim Europacup in Tarvis qualifizierte. Stell dir vor, man hätte ihn (und Schwarz) nicht dorthin geschickt … 

Es geschah quasi notgedrungen ohne goldene Hintergedanken. Die hat ganz gewiss kein einziger der Großmeister im Skiverband oder im Olympischen Comite gewälzt, die sich jetzt stolzer Brust und patriotischer Euphorie sozusagen eins fühlen mit Johannes und vielleicht auch etwas mit Hubert Strolz. Man sollte sie daran erinnern, dass sie es waren, die ihn aussortiert hatten. Aber wer weiß, vielleicht waren sie indirekte Väter des sensationellen, Bestseller-reifen Aufstiegs des Außenseiters in den Olymp, weil sie ihn vorher mehr oder weniger ausgesetzt und damit seinen Überlebensinstinkt und Widerstandswillen geweckt hatten. Dazu lässt sich im Sinne der alemannischen Erfinder und im Strolz-Zungenschlag nur behaupten:  Was soll i dazu sägä …?  Die Familien-Story spricht für sich. Und die goldenen Gene, die der eine vom anderen geerbt hat.

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