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Warum Siegerin bei Horrorsturz so mitfühlte und die Fünfte wie eine Siegerin jubelte

Unten im Ziel von Crans-Montana, dem WM-Ort 1987 und WM-Kandidaten 2027, stand die bisher noch sieglose Bestzeithalterin Priska Nufer, 30jährige Schweizer Bauerntochter aus Obwalden. Kaum war der Kelch eines Ledecka-Doppelpacks um einen  Wimpernschlag an ihr vorbeigegangen, da waren Priskas Augen nur noch auf Videowall und Uhr gerichtet, denn die aus schweren Verletzungen, langen Zwangspausen und einem Comeback-Sieg in Garmisch gekommene Steirerin Conny Hütter schien ihr möglicherweise den Premieren-Triumph zu entreißen. Als die Walder-Freundin Hütter aber beim letzten Sprung verkantete und nach einem schrecklichen Sturz kopfüber den steilen Hang bis ins Ziel und noch weiter rutschte, da hielten alle den Atem und da schlug auch Priska Nufer die Hände vors Gesicht. Ganz so, als würde sie mit der Gestürzten besonders mitfühlen, nein: mitleiden.

Aus gutem Grund, denn die zuletzt auch in Peking glücklose, weil in der Abfahrts-Qualifikation gescheiterte Nufer hatte vor sieben Jahren in Val d´ Isere, nicht im Rennen, aber im Training, einen fast deckungsgleichen Horror-Sturz erlebt und lange gebraucht, um ihn mental zu verdauen und schließlich irgendwann zu verarbeiten. Damals in La Daille, der immer noch aktuellen, aber alten O(reiller)-K(illy)-Abfahrtsstrecke, auf der damals die ebenfalls noch ganz junge Conny Hütter auf dem Weg zu einer Abfahrtsgröße gewesen war. Die inzwischen frisch-fröhliche Priska kam übrigens anno 2015 ebenso mit ein paar Kratzern im Gesicht, einem Brummschädel und einigen blauen Flecken davon wie die Steirerin, die nach ärztlicher Versorgung mit Nasenpflaster auftauchte, offenbar nur unwesentlich verletzt.

Priska Nufer unterwegs zum ersten Sieg.

Sturzopfer Conny Hütter mit Nasenpflaster.

Stephanie Venier bejubelte Platz 5 wie Sieg.

Das war eine Herz-Schmerz-Geschichte des Tages, die unter die Haut ging. Die andere, allerdings körperlich schmerzfreie Geschichte lieferte die ehemalige Vizeweltmeisterin Stephanie Venier, die sich nach einer endlos langen Abwärtsspirale und verpasster Olympia-Qualifikation von kurzen Rücktrittsgedanken ebenso wie von einer langen Formkrise befreite. Hätte die modebewusste, einkaufsfreudige Stephanie, die sie scherzhaft „Miss Gucci“ getauft haben, nicht im vorletzten Teilstück noch Zeit verloren, auch sie hätte sich Priska Nufer noch schnappen können. „Aber für mich“, meinte sie, „ist der 5. Platz wie ein Sieg. Ich bin total glücklich!“

Ihr Crans-Montana-Comeback (Platz 14 und 5) verhinderte nach dem Hütter-Drama eine der größten Abfahrtspleiten der ÖSV-Damen, weil die nächstbeste des Teams, Miriam Puchner, trotz optimaler Nr. 1 nicht über Platz 13 hinauskam. Umso interessanter, dass die 28jährige routinierte, aber frustrierte Venier die teamfreie, olympialose Zeit mit welchen Ratgebern oder Helfern so gut nützte, dass sie bei der Rückkehr in den Weltcup wieder in alte Spuren gleiten konnte. Den Verantwortlichen rund um den Cheftrainer sollte das mehr als nur zu denken geben. Und sie sollten auch hinterfragen, ob die gestürzte Conny so schnell wie möglich Vergangenheitsbewältigung betreiben oder lieber Pause machen soll, um topfit ins Saisonfinale zu starten…

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