Hier geht´s nicht um Zeiten oder Zentimeter, sondern um Zielsicherheit und Präzisionsarbeit. Wir sind zwar seit dem Kriegsende mehr oder weniger Pazifisten, unsere Sportschützen waren aber traditionell alle vier Jahre immer wieder scharfe Munition als olympische Waffen. Ich war nur TV-SW-Konsument anno dazumal bei den Sommerspielen 1960 in Rom, als der Vorarlberger Hubert Hammerer aus Egg den goldenen Schuss im KK-Dreistellungsmatch landete, der Königsdisziplin der Schützen. Übrigens auf einem Schießstand außerhalb der Ewigen Stadt…
So weit ich mich erinnere, war damals höchstens ein Kollege, wenn nicht keiner, vor Ort, um den olympischen Volltreffer in Worten festzuhalten. Und außer den Vorarlbergern, die wie ihre alemannischen Tell-Nachbarn den Schießsport hochhalten, hatte kaum einer ein Gesicht vor Augen, wusste auch kaum einer aus dem Osten des Landes was mit Hammerer anzufangen, dessen Name, wenn überhaupt, höchstens zu irrtümlichen Verwechslungen mit der Ex-Skikanone und Wien-Mode-Shop-Besitzerin Resi Hammerer führte. Kurzum, für die einen oder anderen eher ein Jammer statt Hammer!
Ich will diesen Ausflug in die Vergangenheit mit dem Namen eines Schützen aus Rabenstein in Niederösterreich verbinden, der abseits der Insiderszene ganz sicher auch noch keinen besonderen Klang hat. Woher auch, wenn man bedenkt, dass Sportschützen meist erst dann ins (TV)-Bild kommen, wenn sie plötzlich bei Olympia einen Spitzenplatz ins Visier nehmen. Dabei handelt es sich bei Alexander Schmirl, Bundesheer-Sportsoldat und Kerl von einem Mann, um einen Golden Boy. Jawohl, einen regierenden Weltmeister im olympischen Dreistellungsmatch (50m), der damals in Baku auch noch zwei Mannschafts-Silberne erringen konnte zu den beiden WM-Bronzemedaillen, die er im Jahr davor schon in Kairo gewonnen hatte. Jedenfalls ein großes Kaliber mit dem Kleinkaliber.
Da es bei den Schützen um Millimeter auf oder ab geht, ob´s ein Zehner ist oder doch nur ein Neuner, so können solche Millimeterentscheidungen das Pendel so oder so ausschlagen lassen. Aber jetzt ist Schmirl, der schon 2016 in Rio de Janeiro dabei war, nicht nur acht Jahre älter, um viele große Wettkämpfe erfahrener und auch unter Druck treffsicherer als früher. Auch heuer hat er schon wieder ordentlich ins Schwarze getroffen. Wieder in Baku, diesmal im Weltcup. Da landete Schmirl auf dem zweiten Platz – Silberstreif am Horizont!
Und damit haben wir Österreicher auch wieder eine Waffe, die auf eine Medaille anlegen könnte – die erste bei Olympia seit 20 Jahren, als uns oder besser gesagt: dem Tiroler Planer der Fehlschuss eines US-Amerikaners auf eine falsche Scheibe doch noch Bronze beschert hatte. Und fast 30 Jahre ist´s her, dass der Vorarlberger Wolfram Waibel als Hammerer-Erbe aus Atlanta gleich Silber und Bronze heimbrachte. Jener Wolfram Waibel, der jetzt zum Trainerteam von Schmirl und der anderen Scharfschützen wie Amazonen zählt. Mit ein Grund, warm der Niederösterreicher gut bei Schuss ist…
Jetzt dürfen wir hoffen, dass beim Alexander aus Rabenstein an der Mariazeller-Bahn, übrigens Sohn eines Oberschützenmeisters und Klubpräsidenten, dem mit der Muttermilch auch (erlaubtes) Zielwasser in die Wiege gelegt worden zu sein scheint, in Paris alles buchstäblich wie „g´schmirlt“ rennt…