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Wie der Auswuchs an politischem Zeitgeist auch in den Medien das Sportliche auf den Kopf stellt

Ich hab´ gestern abends und nochmals heute früh in den ORF-Teletext geschaut, um neue Informationen zu bekommen, die ich womöglich verschlafen oder falsch interpretiert haben könnte. Und ich muss gestehen, dass ich große Augen gemacht hab´, was die journalistische Bewertung und Reihung der wichtigsten Sportnachrichten betrifft. Nicht etwa, dass ganz oben die tolle Leistung des Osttiroler Tour-de-France-Neulings Felix Gall im schweren Rennen gegen die Uhr gereiht worden wäre, die ihn wieder unter die Top 10 des größten aller Rundfahrtklassiker beförderte. Nein, auch nicht die Vollzugsmeldung, dass der bisherige Salzburger Bullen-Sportdirektor Freund nach den sommerlichen Spielertransfers sich selbst als Salihamidzic-Nachfolger per September zum deutschen Rekordmeister FC Bayern transferiert, was eine tolle Sache und große Ehre für unseren Fußball ist.

In Zeiten wie diesen mit einem Sportminister, dem der Spitzensport bei weitem nicht so am (dunkel)-grünen Herzen liegt wie Randgruppen aller Schattierungen, zählt auch für den ORF in Bild wie Text weniger Leistung als vielmehr politisch gefärbter Mainstream. Anders ist´s ja kaum zu erklären, dass just im Countdown zur Fußball-WM der Frauen in Australien und Neuseeland, die ohne Österreicherinnen in Szene geht, ein unbedeutendes, noch dazu daheim 0:1 verlorenes Testspiel des Frauen-Teams gegen Island an der Spitze aller Nachrichten steht, begleitet von Aussagen der Teamchefin Fuhrmann, wie gut ihre Truppe gespielt hätte, wie ungerecht aber die Fußballgötter wären, die sich gegen sie und Austria verschworen hätten.

Mag was dran sein, auch wenn´s nur ein Körnchen Wahrheit sein sollte. Als Frau Fuhrmann würde ich mir aber schon gewisse Zukunftssorgen machen, denn das signalisierte zumindest die zweite Topmeldung, die sich mit der U19-EM der Frauen beschäftigte – denn da gab´s gegen Deutschland mit 0:6 eine kräftige auf den Deckel. Und da aller guten Dinge offenbar auch im Frauen-Fußball drei sind, ließ uns der ORF die längste Zeit wissen, dass die US-Amerikanerinnen den dritten Titel en Suite anpeilen und die Australierinnen ganz hohe Ziele haben, was sich im Laufe des heutigen Vormittags sogar zur Spitzenmeldung auswuchs. Jawohl, ein Auswuchs!

Kinder, Kinder, das erlaube ich mir als alter Knacker mit Aber-Dutzenden an Top-Events mit Aber-Dutzenden an Interviews mit bedeutenden Allzeitgrößen des (Welt)-Sports zu sagen – es kann und darf nicht sein, dass wir aus politischen Motiven oder Abbau an schlechtem Gewissen, weil da wie dort allzu lange Entwicklungen negiert wurden, plötzlich Elefanten aus Mücken machen. Wie kommen herausragende Einzelsportler: Innen auch in klassischen olympischen Disziplinen bei uns dazu, dass man sie mehr oder weniger links liegen lässt, weil der Zeitgeist nach neuen Prioritäten verlangt.

Ich meine da nicht nur einen Felix Gall oder den anderen Felix, den Kraulweltmeister Auböck, über den der Superlativ-Schlagzeile wegen kürzlich geschrieben wurde, dass er täglich 16km schwimmt, was natürlich nur in der Anfangsvorbereitung der Fall war, aber im finalen WM-Countdown völliger Mumpitz ist! Was wäre mit einem tollen Feature über Sepp Straka, der sogar die Golf-Elite in den USA mitunter aufmischt? Fehlanzeige! Pfui Teufel, der ist ja Multimillionär geworden!

Oder ganz ohne Mammon etwas über jene Läuferin Susanne Gogl-Walli, von der man außer Olympia-Norm- und auch Hallenrekordzeiten über 400m  so gut wie nichts erfährt. Oder abseits vom Leogang-Weltcup vom jungen Tiroler Mountainbike-Girl-Duo Mittenwallner-Stigger oder der goldenen Abfahrtskollegin Höll (Ohje, die war ja schon bei
Servus!) . Und wo findet man obenauf eine emotionale, menschlich-sportliche Story über die Alexandri-Drillinge, die als ungeliebtes Trio aus der griechischen Heimat vor einem guten Jahrzehnt ausgezogen waren, um als rotweißrote Synchronnixen mit Bulgaren-Trainerhilfe die Welt oder gar eine Weltmeisterschaft zu erobern?

Nichts gegen Orientierungslauf, der aus historischen Gründen zu den Top-Events beim Nachbarn Schweiz zählt, aber hierzulande ist´s sozusagen „hochprozentiges“ Füllmaterial, das uns aus vertraglich ausgehandelten Bedingungen – zu denen auch der maßlos übertriebene (und live übertragene) Frauenfußball gehört – statt durchaus leistbarer Personality-Stories auf den ORF-Bildschirm gezaubert wird. Diese Form(en) der Berichterstattung hat/haben nichts mit Sport PLUS zu tun, sondern kaschieren höchstens ein MINUS.

Aber was soll man sich bei einem ORF-TV-Sportchef denken, der als Rundfunk-Chefredakteur diesen wichtigen Posten nur deshalb als Entschädigung bekam, weil das Amt seiner Wünsche schon vergeben war. Viel wünschenswerter wäre es, würde sich der Herr Aigelsreiter um diese hochsportlichen Belange kümmern statt seinen Gegenkandidaten, den Langzeit-Co-Sportchef Waleczka, zu degradieren.

Inzwischen degradiert sich ja der ORF-Sport allmählich selbst zu einem Wurmfortsatz dessen, was er in seinen Glanzzeiten mit weit weniger Hi-Tech und finanziellem Aufwand, dafür aber echten Granden und nicht Parteihengsten oder anderen Freundesdiensten gewesen war. Hauptdache ist offenbar, am Puls der mehr als nur traurigen bis erschreckenden Politzeit zu sein. Ist ja völlig nebensächlich, ob dabei der Sport auf den Kopf gestellt wird. Hurra!

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