Man hätte mit vielen anderen gerechnet, nicht aber mit der Tschechin Marketa Vondrousova als Wimbledonsiegerin, die damit die Nachfolge der vorzeitig gescheiterten Landsfrau Petra Kvitova angetreten hat, die zweimal im Mekka nicht nur des Rasentennis triumphiert hatte. Und damit stempelte die Außenseiterin die Tunesierin Ons Jabeur, erste und jetzt dreimal gescheiterte afro-arabische Grand-Slam-Finalistin, schon zu einer Ewigen Zweiten. Ein auch in der Deutlichkeit überraschendes Vorspiel zum großen Generationenduell der Herren zwischen dem 23fachen Grand-Slam-Rekordsieger Novak Djokovic, 36, der seit 2017 in Wimbledon nicht mehr verloren und den achten (Federer-)Rekordsieg im Visier hat, und dem 20jährigen spanischen US-Open-Sieger, Carlos „Carlito“ Alcaraz, der bisher fast alle Gegner „rasiert“ hat.
Wie gesagt, es kommt nicht nur zum Schlagabtausch von Generationen, es steht auch zu befürchten, dass dabei der erfolgreichste Tennisspieler aller Zeiten als verbissen wirkender Publikumsfeind gegen den jugendlichen Liebling der meistens britischen, aber zuletzt immer einseitigeren, oft unfairen Fans einen Zweifrontenkampf bestreiten muss. Das ist nicht etwa aus den Fingern gesogen, sondern hat sich schon im Semifinale gezeigt, als der serbische Nole mit Wohnsitz Monte Carlo nicht nur den 21jährigen Südtiroler Sinner besiegen, sondern auch sich selbst bei Anfeindungen von der Center Court-Tribüne im Zaum halten musste. Was auch etwas an sein verpasstes Saison-Grand-Slam-Ziel vor zwei Jahren in New York erinnerte, als es für Djokovic erst Mitleidsbeifall regnete, als er gegen – welch Ironie am Rande – den Russen Medwedew verloren hatte.
Was mich persönlich immer mehr irritiert und stört, das sind die politischen Untertöne, wenn nicht unsportlichen Dissonanzen, die seit dem Russenkrieg in der und gegen die Ukraine nicht nur, aber unter anderem auch ins Tennis getragen werden. Bei allem Können, bei aller Kampfkraft und Mentalstärke, die Djokovic auszeichnen, so lebt er schon lange mit dem Stigma eines Siegers aus Serbien, dem wieder nicht nur der Schrift und Sprache wegen auch Russland-Nähe nachgesagt wird. Und dann noch dieses asketische Wesen, dem kaum ein Lächeln auskommt, wenn er alles seinen (Rekord)-Siegen unterordnet. Und dann noch einer, der den Publikumsmagneten Federer und Nadal immer öfter die Butter vom Brot genommen hatte. Und jetzt kommt auf ihn der Nadal-Nachfolger zu, der irgendwie noch wie ein Bub wirkt im Vergleich zum „Djoker“…
Ja, ich hoffe nicht, dass sich da womöglich die Szenen wiederholen, die es beim Duell der braven, längst mit Monfils verheirateten, längst nicht mehr in Kiew lebenden prowestlichen Ukraine-Mama Elina Switolina mit der bösen, längst nicht mehr in Minsk lebenden, längst in den USA stationierten weißrussischen Mutter Viktoria Azarenka gab. Was die zweimalige Australien-Open-Siegerin da an Missfallenskundgebungen, Buhrufen und Pfiffen über sich so lange über sich ergehen lassen musste, bis sie endlich in die Knie ging, das spottete jeder Beschreibung und vor allem jeglicher Fairness. Aber die Briten haben eben weltpolitisch sozusagen Stellung bezogen, in diesem Fall aber ganz ohne Brexit…
Es wird höchste Zeit, dass Schluss mit diesem Politruck im Sport gemacht wird, auch mit der sogar gefeierten Unart, das ganz normale Shakehand nach einem sportlichen Duell zu verweigern. Und auch dass die eine oder der andere dazu gezwungen wird, mit oft durch Vernunft aufgesetzte Lippenbekenntnisse womöglich ihre Heimat zu verdammen, ganz so, wie es ein einseitig verordneter Ungeist verlangt. In diesem Sinn wünsche ich mir ein faires und sportlich tolles Finale, in dem nur auf Unsportlichkeit gepfiffen wird…