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Zweiklassengesellschaft im Tennis: Mit Größe wachsen Chancen und Konten

Ich weiß, ich weiß, dass ich dabei auf heftige Kritik stoße, wenn ich meine, dass das professionelle Tennis an der Weltspitze inzwischen eine ganz andere Zweiklassengesellschaft ist als in früheren Jahren. Das Tempo von 200 km/h aufwärts, mit dem heutzutage aufgeschlagen wird, und die Wucht, mit der inzwischen auf Bälle gedroschen wird, hat selbstverständlich auch mit den körperlichen Voraussetzungen zu tun, die Spieler: Innen mitbringen. Natürlich will das Tennis-ABC von der Pike auf möglichst gut gelernt sein, natürlich spielen Fitness, Beweglichkeit, flinke Beine und schnelle Hände eine wichtige Rolle.

Aber wenn all diese spielerischen Eigenschaften vorhanden sind, dann wird die Größe im wahrsten Sinn des Wortes zum Ass im Ärmel, das der oder die vor allem in entscheidenden Grenzsituationen ebenso ausspielen kann wie den Reichweitenvorteil am Netz oder in der Defensive, der ganz schön viel an Laufarbeit ersetzt. Ich weiß, ich weiß, dass jetzt der eine oder andere Tenniszwerg als Gegenbeispiel ins Spiel gebracht wird, ganz bestimmt beim Rückblick ins 20. Jahrhundert ein Michael Chang, der aber sechs Jahre nach seinem Sensationssieg in Roland Garros von jenem Auch-nicht-Riesen Thomas Muster ebendort im Endspiel um einen Kopf kürzer gemacht wurde.

Oder der noch weit kleinere Diego Schwartzman, der sich (ganz ohne Verletzung) immer mehr in einer Abwärtsspirale befindet. Und selbst der kleiner als seine 1,84m wirkende Doppelpack-Grand-Slam-Sieger Carlos „Carlito“ Alcaraz kämpft als erst 20-jähriger schon mit körperlichen Problemen, obwohl er seit Wimbledon-Triumph und US-Open-Semifinale lange Zwangspausen hat einlegen müssen, ohne dass er dabei die Batterien auffüllen hätte können.

Ich weiß, ich weiß, dass meine Größen-Theorie a priori als falsche These abgelehnt und abgekanzelt wird. Wer aber einen Blick auf die Weltrangliste wirft, dem muss eigentlich wie Schuppen von den Augen fallen, dass es sich dabei um keine Milchmädchenrechnung handelt, denn unter den Top 20 bei den Herren ist nur ein Trio (Alcaraz, Ruud, De Minaur) kleiner als 1,85m und bei den Damen ist gar nur eine Spielerin (Ons Jabeur) unter 1,70m, ein Drittel der Top 15 hingegen misst mehr als 1,80m, darunter die Weltranglistenerste und Australien-Open- und frühere Linz-Siegerin Aryna Sabalenka (1,82m). Das hat nicht nur damit zu tun, dass die Menschheit grundsätzlich um ein paar Zentimeter gewachsen ist – es ist auch eine Entwicklung im Sport im Allgemeinen und im Tennis im Besonderen, dass Gardemaß gepaart mit technischer Finesse und körperlicher Fitness entscheidend in die Waagschale fällt. 

Natürlich hat der Hauch an Sozialromantik mitgespielt, wenn ein nur 1,68 oder 1,69m kleiner Diego namens Schwartzman dann und wann einem Goliath ein  Bein stelle konnte, aber im Endeffekt hat der auch im Tennis-Showbusiness als „El Peque“ titulierte Argentinier in seiner Karriere nichts Großes gewinnen und damit auch bei weitem nicht so viel Preisgeld gewinnen können/dürfen, wie es seinem Allround-Können entsprach. Und das ist das, worauf ich hinauswill, sozusagen des Pudels Kern, um das salopp zu formulieren.

Tradition, die gerade meine Wenigkeit für unverzichtbar hält im Sport, kann und darf andererseits nicht verhindern, dass am Ende des Tages körperliche sprich: Größen-Nachteile, auch finanziell zu einer Zweiklassengesellschaft führen, in der die immer Größeren die (Preisgeld)-Kassen immer mehr füllen, für die Kleineren mit weniger Siegeschancen aber die Geldtaschen indirekt proportional bestenfalls halbvoll werden. Um Chancengleichheit zu schaffen, gibt´s ja Gewichtsklasse nicht nur im Ring und auf Matten, sondern auch in einem klassischen Sport wie Rudern, in dem Leicht- und Schwergewichte seit Jahrzehnten getrennt um Siege, Titel und Medaillen rudern, ohne dass jemand der Vergangenheit nachhängt.

Warum sollte Tennis mit nachvollziehbaren Normen nicht diesem Mustereispiel folgen, damit auch die Kleinwüchsigeren sich nicht nur mit Kleingeld zufriedengeben müssen. Ich sage einmal 1,85 da und 1,72m dort als Maßstäbe, um mit sportlicher auch monetärer Gerechtigkeit folgen zu können. Ich jedenfalls würde für diese (R) Evolution plädieren, auch wenn ich dafür verbal geprügelt werden sollte …

PS: Zverev (26, 9 Profijahre) vs. Schwartzman (31, 13 Profijahre), der ihn beim US-Open 2019 im Achtelfinale überraschend besiegt hat, im sportlichen wie finanziellen Vergleich.

Zverev (21 Turniersiege, Olympiasiege 2021 mit Gold statt Geld, 36,3 Millionen Dollar Preisgeld) übertrifft Diego (4 Turniersiege, 1 French-Open-Semifinale, 2x US-Open-Viertelfinale; 13,7 Millionen Dollar Preisgeld).

 

 

 

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