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Energiegeladene Bullen als fromme Lämmer oder: Vom Hurra zum Horror

apa/scheriau

Welch eine Metamorphose! Die hochgejubelten Jungbullen, die anfangs des Vorjahres drauf und dran waren, die Anführer selbst der europäischen Fußballherde zu fordern, haben sich in harmlose Lämmer verwandelt, die immer mehr – man verzeihe die bildhafte Sprache – zu sportlichen Schlachtopfern werden. Wer zunächst gedacht hatte, das 0:3 zum Auftakt der Champions League gegen Sparta in Prag wäre nur ein Ausrutscher gewesen, der erlag dem Trugschluss, die aktuellen  Bullen mit dem Ruf und Image zu messen, das sich der Mateschitz-Millionen-Retortenklub über fast 20 Jahre auch international erfolgreich aufgebaut hatte.

Und eben der steht inzwischen nicht nur auf dem Spiel, sondern ist drauf und dran, aus mehr als einem Grund verspielt, wenn nicht ruiniert zu werden. Sieht man von einem 2:0 gegen die nicht gerade angsteinflößende Wiener Austria und einem 4:0 im Cup bei Toni Polsters Regionalligaklub Wiener Viktoria ab, so stürzte Salzburg seit dem mühseligen 1:1 gegen Dynamo Kiew in einen Abwärtsstrudel voller Pannen, Pech und Pleiten, die sich gewaschen hatten. Auf oberster und höchster Ebene gab´s statt Torjubel immer mehr Prügel, die immer schmerzhafter wurde – 2:3 gegen Rapid, 0:3 in Prag, 0:0 in Tirol, 0:4 gegen Brest und jetzt ein 0:5 gegen Sturm, der ärgste Liga-Flop seit dem dubiosen 0:7 vor 16 Jahren daheim gegen Rapid:

Vom jahrelang hochgepriesenen Bullen-Gen, was immer das hätte bedeuten sollen, ist keine Rede mehr, ganz so, als wäre es tun on einem Keim befallen. Aber von welchem, das ist die Frage, die sich Gretchen zu Recht stellt, wenn der als Ex-Klopp-Assistent aus Liverpool geholte neue Cheftrainer Pep Lijnders erklärt, “dass die Mannschaft seit der Champions-League-Qualifikation nur noch ein Schatten ihrer selbst ist!” Würde das ein Außenstehender behaupten, wär´s akzeptabel, nicht aber, wenn es just der Cheftrainer sagt, der ja für den Zustand der Spieler und das taktische Verhalten der Mannschaft verantwortlich ist. Wer, wenn nicht der Chef, sollte erkennen und müsste daher auch wissen, woran es krankt. Und was man tunlichst machen müsste, um das Übel bei der Wurzel zu packen, damit zumindest einmal die Abwärtsspirale abgedreht wird.

Und damit stellt sich für mich als einen doch aufmerksamen Betrachter dieser Szene die Frage, ob sich in bulliger Selbst-Ein, nein: Selbstüberschätzung eine Kette an Fehlern eingeschlichen, nein: eingenistet hat, die über Nacht so leicht nicht gestoppt werden kann. Ich persönlich glaube, dass dieser Teufelskreis schon viel früher eingesetzt hat, als die mit früh geholten Toptalenten gesegneten Salzburger diese aufgehenden Sterne um viel Geld verkauften, ohne sie – auch wenn das oft behauptet wurde – durch ähnlich gute, meist noch jüngere Starlets zu ersetzen.

Und so ähnlich spielt es sich für mich aus der Distanz auch mit den Trainern bis zu den Sportchefs ab, wo seit geraumer Zeit sich Assistenten (eines mitunter prominenten Assistenten) die Klinke in die Hand gedrückt haben, ob sie jetzt Struber, Jaissle, Seonbuchner statt Freund und nun Lijnders hießen oder heißen. Der Holländer war zwar zweimal Assistent von Klopp, aber eben nur der Assistent. Als Chef hatte er zwischendurch Schiffbruch bei Nijmegen erlitten. Und obschon er jahrelang beim Deutschen eine wichtige Nebenrolle mit Spezialaufgaben spielte, so ist er dennoch weder bereit noch in der Lage, in Salzburg Deutsch zu reden. Auch in Interviews nicht.

Natürlich hab ich mir nur Überblick von TV-Übertragungen, Interviews und sonstigen Berichten diverser auch lokaler Medien ebenso wie durch Recherchen im Internet verschaffen können, kann mich aber gerade darum des Eindrucks nicht erwehren, dass der Neo-Trainer aus Holland offenbar mit nicht gerade empathischen Entscheidungen hat er dabei womöglich auch selbst einen Keil ins Gefüge getrieben haben könnte. Etwa indem er dem rekonvaleszenten Teamtorhüter Schlager, einem echten “Stierwascher”, den Leipzig-Gulacsi-Tormannersatz Blaswich nicht nur als Stammkeeper vor die Nase setzte, sondern eben diesen als Neuankömmling zum Kapitän und verlängerten Spielfeldarm beförderte. Böses Blut tut niemals gut, so könnte man sagen. Und auch das vorerst gelobte Lijnders-Offensiv-Motto: Alle vor, noch ein Tor, erwies sich als Bumerang, da es zu Tagen und Abenden der offenen, eigenen Tore führte. Aus dem Hurra, der fliegender Holländer ist da, ist ein Horrorstück geworden mit Bullen, die an dressierte Gäule oder fromme Lämmer erinnern. Darum ist´s Zeit, dass in der Zentrale nicht nur analysiert, debattiert und geredet, sondern gehandelt wird, bevor die Dose voll mit weiteren bitteren Pillen ist. 

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