Da es rund um erst Abend konkurrenzfähige (Winter) Sportarten gibt, liegt der Fokus schon zwangsweise auf die Kurzbahn-Weltmeisterschaften im Schwimmen, wo es heute vormittags immerhin mehr als nur einen Lichtblick gab. Zwar hat es der Wahllinzer aus Tirol, der nicht mehr ganz taufrische 30jährige Bernhard Reitshammer als Fünfzehnter über 100m Brust gerade noch ins Semifinale geschafft, dafür kraulte der Kärntner Heiko Gigler, 28, in der Königsdisziplin 100m Freistil in neuer, toller Rekordzeit als Achter ganz ohne Torschlusspanik in die Vorschlussrunde, in der bei seiner Form, seiner Einstellung und seinem soliden Aufbau über viele Jahre hinweg noch keineswegs Schluss sein muss. Auch das Finale scheint in Griffweite, neue Bestzeit am Abend, wenn er richtig munter ist, vorausgesetzt.
Ohne jetzt Weltrekorde, Titel und Medaillen anderer aktueller heimischer Schwimmer abwerten zu wollen, so scheint es höchste Zeit, den medial als fünftes Rad am Wagen fast ignorierten Studenten mit Graz-WG und Trainingsfahrten vom heimatlichen Spittal/Drau in den auf zwei Bahnen beschränkten 50m-Indoor-Pool in Salzburg-Rif als Muster Höchsten Werts in die Auslage zu stellen – samt seiner interessanten Entwicklung, deren Vater mittlerweile längst im Ruhestand ist. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass es ohne den Trainer in Pension, Ferdinand Kendi, 77, diesen Aufstieg vom Provinz-zum Weltklasseschwimmer nicht gegeben hätte. Kendi (Foto mit LH und Auszeichnung) war´s übrigens, der auch Lisa Zaiser in Spittal so gut ausgebildet hatte, dass sie EM-Bronze 2014 gewann und Rekorde fixierte, die noch stehen. Doppelt gemoppelt, so ließe sich sagen.
Als Gigler vor gut zehn Jahren bei besagter Zaiser-EM in Berlin debütierte, da schwamm er die gleiche Disziplin, nämlich 200m Lagen, was heißt, dass er in allen vier Schwimmdisziplinen so ausgebildet wurde, dass er je nach Konzentration und Bedarf den Mann stehen konnte. Wie heute. Wie 2019 bei der Universiade in Neapel, wo ich dabei war, als er über 50 und 100m Kraul das Finale (jeweils 7.) erreichte, aber daran scheiterte, dass er nach Bestzeiten in Endläufen noch zu viel wollte. Ein Lernprozess, der sich fortsetzte und mit gedrückten Zeiten auch zur Einladung des Weltverbandes (FINA, jetzt World Aquatics) zu Olympia in Tokio 2021 (Platz 12) führte. Und dann zu EM-Bronze (2022) in Rom und heuer zu EM-Gold, jeweils mit der 4x100m-Lagenstaffel. Als Teamplayer.
Ich wage zu behaupten, dass diese historischen Titel und Medaillen ohne den Weltklassekrauler Heiko Gigler nie gewonnen worden wären, weil es keine Alternative zu diesem Kärntner gegeben hätte, der sich als Schlussmann der Staffel mit seinem unfassbaren Fighting Spirit zu für heimische Begriffe fantastischen Zeiten mit fliegendem Start überwinden konnte – 100m dabei klar unter 48 Sekunden, während viele andere nicht einmal die 49-Sekunden-Mauer (Langbahn) knacken können. Dieser Heiko mit dem Körper eines Modellathleten, dem Herz eines Löwen und der in jungen Jahren hervorragend ausgebildeten Technik ist eine unersetzbare Größe. Hierzulande leider fast ein Unbekannter über regionale Szenen hinaus.
Was er drauf hat auch auf der Kurzbahn, das hat Gigler heute vormittags gezeigt, als er seinen eigenen 100m-Rekord um zwei Zehntel auf 46,45 verbessert und Weltklassekrauler wie den Italiener Miressi distanziert hat. Und das kam nicht von ungefähr, denn Gigler hatte bei den Meisterschaften in Graz gemeint, er habe bei den nationalen Titelkämpfen (trotz Überraschungssieg über 50m Brust!) lieber Körner sparen wollen als sie vor dem Highlight Kurzbahn-WM in Budapest zu verschießen.
Ein Mann, wie gesagt, der es mit dem Talent, Techmik, Ehrgeiz, Hirn und Herz geschafft hat, im übertragenen Sinn mit den Adlern zu kreisen. Oder andersrum: The Eagle has landed. Auch wenn´s dabei oft vonnöten gewesen war, ziemlich hohe Hindernisse zu überwinden. Und das vordem zweigleisige Studium auf Sportwissenschaft zu beschränken. Er ist als erfolgreiches Versuchskaninchen seiner selbst ein Vorzeigeprodukt, an dem sich heimische Sportler: Innen ein Beispiel nehmen können. Auch wenn der Weg lang und dornig ist, um an die Endstation Sehnsucht zu kommen…