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Thiem: Himmelsgeschenk nach Höllenqual

Halb zog es ihn, halb sank er hin. Da lag er nun im Glück seines Happy End mit ausgestreckten Armen und Beinen am Center Court des leeren Arthur Ashe Stadiums. Blick zum Himmel, kaum dass unser aller Tennisheld Dominic Thiem durch Hölle und Fegefeuer gegangen war, um Geschichte zu schreiben als erster Österreicher, der je die US-Open im Tennis gewonnen hat – und als zweiter nach Muster, der in einem Grand Slam triumphierte. In einem denkwürdigen Finale, das er ebenso auf den Kopf gestellt hatte wie Naomi Osaka am Vortag bei den Damen – nur noch weit dramatischer, noch weit atemberaubender, noch weit nervenaufreibender.

Bevor er in einem viereinhalbstündigen Hitchcock-Thriller dem knapp Zweimeter-Riesen Sascha Zwerew über den Kopf wachsen konnte, war Thiem – zudem offensichtlich gehandikapt durch Fußbeschwerden– ein Schatten seiner selbst gewesen, ständig im Clinch mit sich und auch hadernd mit der ungebremsten Offensive des Hamburgers mit russischen Wurzeln. 2:6, 1:5 nach 59 Minuten, das sagte alles und roch nach Blamage und Fiasko vom Schlimmsten! Aber statt in Schönheit zu sterben, begann sich der „Dominator“ auf die Spuren eines Überlebens-Fighters wie das einstige Vorbild „Tominator“ zu begeben. Nicht mehr schwerelos und doch knallhart geschlagene Superbälle seines angeborenen Talents  waren am Tag der Formschwäche mit dem Rücken zur Wand angesagt, vielmehr das legendäre Muster-Motto, das vor allem auf New-York-Hardcourt stets gelautet hatte: Kratzen, beißen, spucken, wenn nichts anderes mehr geht!

Auch wenn Thiem und Muster ansonsten sportlich wie menschlich mehr trennt als eint, es war auch diese von innerem Antrieb und Ehrgeiz gesteuerte Devise, die jetzt auch aus einem zweiten Österreicher einen Major-Sieger gemacht hat. Auch ohne Stadion-Zuschauer weltweit zu Tages- oder Nachtzeiten als Stehaufmännchen so bewundert wie andererseits der am Anfang so überlegene und am Ende so bitter enttäuschte, in Tränen aufgelöste Verlierer bemitleidet. Ja, so ist Tennis. Und erst recht in einem Best-of-Five-Endspiel, das eigene Gesetze hat! Alles frei nach Boris Becker, immerhin 7-facher Major-Sieger, nach dem 2:6, 4:6, 6:4, 6:3, 7:6 (8:6) für Thiem.

Obschon innerlich aufgewühlt und von Emotionen mehrmals unterbrochen, prophezeite der russische Deutsche seinem österreichischen Bezwinger-Freund Dominic noch weitere Grand-Slam-Titel, verbunden mit der Hoffnung, eines Tages auch selbst die Grand-Slam-Trophy in die Höhe zu stemmen. Tatsächlich lieferten Thiem und Zwerew in ihrem epischen Duell voller Höhen wie Tiefen und einer Achterbahn der Gefühle den schlagenden Beweis, dass die nächste bis übernächste Generation inzwischen stark genug ist für die Ablöse der jahrelangen Alleinherrschaft der großen Drei bis Vier. Auch und vor allem dank des neuen Nationalhelden Dominic, der gezeigt hat, dass man das vermeintlich verlorene Glück doch noch zwingen kann, wenn man schon humpelnd bis zum letzten Schweiß- oder gar Bluts-Tropfen kämpft. Und damit bis zum siegreichen Umfallen rücklings mit ausgestreckten Armen, Beinen, Blick zum Himmel. Lieber Tennisgott, so mag sein Stoßgebet gewesen sein., ich danke dir! Und auch wir danken für diesen Thiem. Ein Geschenk des Himmels.

Bildnachweis: EFE.

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