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100er-Jubilar Egon Schöpf, der mit Schranz ein Duo Infernal bildete, das seiner Zeit voraus war

Der Kurier mit meinem alten, jüngeren Freund Winheim kam mir zwar zuvor, trotzdem greif ich das sentimental Thema auf. Während der erfolgreichste Snowboarder der relativ kurzen Brettgeschichte, der Grissmann-Schwiegersohn Benjamin Karl,  Wahlosttiroler aus Wilhelmsburg bei St. Pölten, zur Feier seines heutigen 40. Geburtstags die Olympiasaison als seine letzte ankündigte, beging heute eine vielschichtige, schillernde Figur des Alpinskilaufs seinen Hunderter. Jawohl, Egon Schöpf, für den als Rennläufer das Motto: Siegen oder fliegen oft schmerzhaft gegolten hatte, ist heute hundert Jahre und lässt sich morgen in Seefeld als wahlweise Kufsteiner nahe Kitzbühel oder als jahrelanger Pensionsbesitzer (Edelweiß in St. Anton) am Arlberg hochleben.

Aber eigentlich kam Schöpf aus Innsbruck, war also ein Großstädter, der die Platzhirsche aus den Alpinorten nicht nur ärgerte, sondern auch besiegte. Wäre der Zweite Weltkrieg nicht dazwischen gekommen, wer weiß, was er alles erreichen hätte können, wäre er nicht statt auf Pisten zu schwingen in der Wehrmachtsuniform im Gefechtsgraben gesteckt, wer weiß. Nach Kriegsende gewann er als Allrounder Abfahrt, Slalom und Kombi am Hahnenkamm in Kitz (1949), wurde medaillenloser Fünfter (A) und Sechster  (SL) bei Olympia 48 in St. Moritz, holte aber 1950 in Aspen bei der ersten US-WM die Bronzene in der Abfahrt, an sich Domäne des Teufelskerls auf den Pisten, der abseits davon kein Hirnederl, sondern eher Blitzgneißer war. Als Student  auch akademischer Weltmeister in den damals nur drei Disziplinen (A/S/RTL und Kombi).

Als er die WM-Bronzene gewann, war er schon 30, damals ein Methusalem des Sports, der nach schöpferischer Pause mit 32 ein Comeback für Olympia 52 startete, sich auch qualifizierte, aber in der Sucht, als Spätzünder nachzuholen, was er versäumt hatte, buchstäblich vor dem Ziel übers Ziel schoss. Dem Aus im Riesenslalom folgte nämlich ein Kapitalstern in der Abfahrt, bei dem er in Oslo (Norefjell) dramatischen Schilderungen nach einen Baum küsste, sich dabei so verletzte, dass er einen Schlussstrich hinter die Karriere zog und eine neue begann – im Solo zu Zweit mit Karl Schranz als erstes Kneissl-Ski-Duo-Infernal  von Racer und Betreuer,von dem der inzwischen bald 87jährige Karl gesteht, „dass wir Tiroler Dickschädel uns erst zusammen raufen mussten.“ Wie Pech und Schwefel. Zu zweit schauten sie sich viel von der Formel 1 ab, auch noch in den Nachkriegs-Kinderschuhen – und machten es nach.

Was damals auch die Freundinnen oder Frauen der Formel-1-Stars an der Boxenmauer machten, das machte Schöpf mit dem damalige noch jungen einsamen Wolf vom Arlberg in den  60er-Jahren. Er verfolgte auf der Stoppuhr die Zeiten aller, um dem verwegenen Abfahrer (und perfekten Allrouder) Schranz auf einem  ausgesuchten Platz etwa Mitte der Strecke mit einem + oder – mit Kreide auf einer Tafel zu signalisieren, ob er auf der Überhol- oder nur Verfolgerspur ist. Damit waren beide samt dem damals bahnbrechenden Kneissl-Epoxi-Ski der Zeit und der Gegnerschaft voraus, was letztlich auch aus Neid der Besitzlosen zu den Olympia-Dramen des dreifachen Weltmeisters, zweifachen Weltcupsiegers (erst 1967 eingeführt) und Gewinner von geschätzten 120 (FIS-A) Klassiker-Rennen, von denen  es einige heute nicht mehr gibt. Wie Mürren oder das  Gornergrat- oder Blauherd-Derby etc. Er war nicht nur herausragend als Rennläufer, sondern auch der Botschafter der Knickerbocker-Hosen in Pionierzeiten.

Wie gesagt, der wilde, aber gscheite Hund Egon Schöpf, dessen Frau Inge die Schwester des legendären ÖSV-Presse-Chefs Joe Schmid (Jahrgang 1942) ist, den man heutzutage fortschrittsgläubig Media-Relations-Boss nennen würde. Mit Inge baute er das Edelweiß in St. Anton auf, wo auch meine Wenigkeit etwa beim verschneiten Arlberg-Kandahar-Weltcup 1987 nächtigen durfte. Da war die Kneissl-Karriere von Egon Schöpf als slpiner Rennchef längst vorüber, in der es mit dem als nordischen Rennboss eingesetzten Diplomingenieur Kurt Matz harte Sträuße in den 70er Jahren gab.

Langläufer und Skispringer, für die eigene Latten produziert und dazu noch Weltklassesportler engagiert wurden, waren dem Alpin-Urgestein Schöpf ein Dorn km Auge. „Was soll das mit Langläufern und Hupfern“, schnauzte er Matz an, ehe ihn erst die vielen Kneissl-Medaillen, darunter Goldene, bei Olympia in Innsbruck und Seefeld anno 1976 überzeugten. Dass Kneissl als Fischer-Rivale am Markt just 1980 in Konkurs geschickt wurde, als Lela Stock auf dem legendären Wihte Star am Whiteface Mountain den goldenen Abfahrtstriumph feierte und es in der Loipe das faszinierende Duell Svan gegen Mieto gab, gehört zu den heimischen Spezialitäten, sich lieber in sportwirtschaftlichem Masochisnus statt Patriotismus zu üben.

All das hat der Hunderter-Jubilar als Zeitzeuge der Zwischenkriegs-, Weltkriegs-Wehrmacht-, Nachkriegs- und besten Konjunkturzeiten er- und überlebt. Sein kongeniales Teamwork mit Karl dem Großen verhalf auch anderen Piloten zu Höhenflügen. Sein Schützling Schranz wird mit Ehefrau Evelyn als „Privatchauffeuse“ dem Jubilar die Aufwartung in Seefeld  machen als Mentor und Schrittmacher seiner Siege. Und als Vorblld, wie man sich als einstiges Überdrüber-Idol, das Hundertausende auf Wien Straßen bis zum Ballhausplatz und Kanzler Kreisky getrieben hat als olympischer Märtyrer von Sapporo 1972, selbst dem Hunderter annähert. Happy Birthday, Egon, ewiges Schlachtross.

 

 

 

 

 

 

 

 

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