Fussball

1:1 gegen Weltmeister als Mix aus Dichtung und Wahrheit, Sein oder Nichtsein

Dichtung und Wahrheit verhalten sich zueinander nicht immer, aber zumindest manchmal in etwa so wie der echte mit dem falschen Film, in dem sich der so positiv gepolte Neo-Teamchef Ralf Rangnick nach dem glücklosen 1:2 gegen die Dänen gewähnt hatte. Wie mir scheint, so muss der von mir sehr geschätzte Deutsche bei dem alles andere denn unglücklichen 1:1 gegen Weltmeister Frankreich wieder einen falschen Film gesehen oder aber ein anderes Match vor Augen gehabt haben.

Natürlich war´s mehr als ärgerlich aus seiner ganz speziellen Trainer-Perspektive, dass wir ausgerechnet nach einem verschlampten Freistoß mit Ballverlust in der Franzosen-Hälfte aus einem Mbappe-Konter das 1:1 kassierten und am Ende bei unserer Konterchance den Matchball jämmerlich verjuxten. Das hat Ralf mit seinen Argus-Augen schon ganz richtig gesehen und analysiert, gar keine Frage – hingegen war seine doch eher blauäugige Aussage, gegen den Dauer-Sturmlauf der Franzosen fast nichts zugelassen zu haben, mehr als nur des Hinterfragens wert.

Ein bisschen viel Dichtung und ein bisserl zu wenig Wahrheit, so würde ich meinen auch angesichts der Tatsache, dass der (vor allem auf der Linie reaktionsschnelle) Torhüter Pentz bei einigen seiner Paraden natürlich auch das Glück des Tüchtigen an seiner Seite gehabt hatte – oder den gallischen Hähnen wie immer sie hießen, ob Benzema, ob Coman, ob Mbappe, ob Nkuku, ob Griezmann, das Tor-Krähen mehr als nur einmal im Halse steckengeblieben war. Ja, was soll da heißen, wir hätten nichts zugelassen in einer Drangperiode der Trikolore, als wir nur noch mit dem Rücken zur Wand mit dem Mute der Verzweiflung die Bälle nicht mehr herausspielen, sondern nur noch aufs Geratewohl wegdreschen konnten.

Bejubeltes 1:0 nach Bilderbuchaktion aus dem Nichts, spätes 1:1 nach einem verschlampten Freistoß aus Konter.

Nicht nur eine Frage von verständlicher Müdigkeit hach einer langen Saison und dem dritten Match binnen acht Tagen, aber auch eines neuen kraftraubenden, aufwendigen Stils, der sich Spiel gegen den Ball nennt, das sich gegen die technisch versierten, qualitativ besseren, weltmeisterlichen Franzosen nicht mehr so praktizieren ließ wie in den ersten beiden Matches. Das Verhältnis von Ballgewinn zu Ballverlust begann sich mit Fortdauer des Matches immer mehr in die falsche Richtung zu bewegen, begleitet von der Angst, die obendrein durch (Zwang-)Wechsel geschwächte Abwehr könnte kollabieren. Dass uns das am Ende ebenso erspart blieb wie den Franzosen ein mögliches Gegentor in der Nachspielzeit, das war sozusagen ausgleichende Ungerechtigkeit höherer Fußballgewalt.

Man kann in jedes Match manches hineindichten, man kann manches so oder so sehen oder so interpretieren, als rechnerische Wahrheit bleiben unterm Nations-League-Strich vier Punkte aus drei Spielen, die gut und gerne auch sechs, aber auch nur drei hätten sein können. Zurück bleibt die Ungewissheit, wie viel Sprit bei den österreichischen Kickern noch im Tank ist, um sich am Montag auswärts in Dänemark das Ticket in der Beletage zu sichern. Frei nach Hamlet stellt sich Ralf Rangnick und dem ÖFB-Team ganz ohne dichterische Freiheit die Frage nach der Wahrheit: Sein oder Nichtsein?

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