Fussball

Frauen-Euro: Ösi-Jubel crasht PK und Pflichtsieg gegen Norge-Pleitenfrust

Bist du Frau, bist du (narren)frei! Hab´s nicht gesehen, aber in einem geradezu euphorischen Bericht gelesen, dass die halbe Frauen-Nationalmannschaft nach dem klaren, aber doch mühseligen 2:0 gegen die mehr als nur biederen Nordirinnen mit Jubelgesängen die offizielle Euro-Pressekonferenz „gecrasht“ hat! Ja, so soll, nein: muss es nach neuer Interpretation natürlich kommen, wenn die Freude über einen Pflichtsieg überschäumt und laute Wellen schlägt, nicht wahr!

Möchte wissen, wie unsere enthusiasmierten Meinungsmacher reagieren würden, sollte ein halbes Männer-Nationalteam mit Pauken und Trompeten in eine Pressekonferenz stürmen, um seinen Emotionen freien Lauf zu lassen und aufgestaute Aggressionen abzubauen. Ich möchte wetten, dass da oberlehrerhaft das Staberl hervorgeholt würde, um den disziplinlosen Herren auf die Finger oder auf den Hintern zu klopfen. Und ich möchte auch wetten, ohne es zu wissen, dass die gegen uns so harmlosen Engländerinnen nach dem 8:0-Sieg gegen nordische Schießbudenfigürchen keineswegs als unaufhaltsame Elf in eine Pressekonferenz geplatzt wären, um Rekord, Rekord, Rekord und Viertelfinale, Viertelfinale, Viertelfinale zu schreien und ausgelassen zu tanzen. Das verbietet wohl schon der englische Knigge.

Aber wie gesagt, zumindest hierzulande ist seit geraumer Zeit, wenn´s um Fußballfrauen geht, alles anders und Liebe, Wonne, Waschtrog, nicht nur in sportlicher Hinsicht, in der nach 0:1 und 2:0 mit den ersten drei Punkten schon das Viertelfinale mehr oder weniger (durch)winkt, weil es ja im direkten Duell ums Viertelfinale gegen die auch von den Medien in Grund und Boden verdammten Norwegerinnen geht. Jenes Norwegen, das einst eine Pionierrolle im Frauenfußball gespielt hat, Olympiasieger, Welt- und Europameister gewesen war, aber seit zwei Jahrzehnten immer mehr in der Weltrangliste abgerutscht ist, bis es – man entschuldige diesen Vergleich – bei einer Fußball-Euro eine ähnliche Pleite erlebte wie einst Österreichs Männer unter Herbert Prohaska beim 0:9 in Valencia (EM-Qualifikation 1999). So was kennen wir ja auch aus anderen Sportarten. Einst vorn und Wegbereiter, jetzt als Schrittmacher grad noch dabei oder aber schon hinterher. Skibob, Wildwasserkajak, Klettern, um nur einige Beispiele zu nennen… 

Österreicherinnen bejubeln Schiechtl und Sieg, Engländerinnen den Mead-Triple-Pack gegen die Norwegerinnen.

Trotzdem: Ging´s nach der Mathematik, dann hätte Rotweißrot nach eigener Moralinjektion und norwegischem Pleitefrust alle Trümpfe in der Hand, Pardon: den eigenen Beinen oder auch im Köpfchen. Aber Sieg hin, Debakel her, Aufstiegsduelle haben schon immer ihre eigenen Gesetze gehabt, in denen Kleinigkeiten über Wohl und Wehe entscheiden. Nichts hätte das auch bei dieser Frauen-Euro 2022 besser illustrieren können als das Zentimeter-Tor der sonst so schussschwachen Engländerinnen gegen uns oder der von der Tirolerin Schiechtl glücklich abgefälschte Puntigam-Freistoß zum 1:0 gegen eine technisch, spielerisch und taktisch unterbemittelte Truppe an größtenteils schon in die hohen 30er gekommenen Amateure aus Nordirland. Pflichterfüllung ist meist die härteste Formalität.

Im Interesse unseres Fußballs wie unserer Fußballfrauen wär´s zu hoffen, dass sie den Teufel austreiben, selbst dann, wenn er im Detail steckt. Und dass sie als Viertelfinalistinnen nach Lust und Laune wieder eine Pressekonferenz stürmen, wieder singen und tanzen können – sofern die Uefa nicht, wie zu befürchten, diesem Jubeltrubel einen Riegel vorschiebt. Was nämlich das betrifft, ist die Fußball-Obrigkeit ja eher kleinlich und keineswegs euphorisch…

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