Fussball

Gretchenfrage: Endet mit Euro-Sommermärchen auch Euphorie um Fußballfrauen?

Es wär zu schön gewesen, um wahr zu sein. Aber auch Sommermärchen haben nicht immer ein Happy End, was auch fürs Public Viewing vorm Rathaus nicht unbedingt geschäftsfördernd sein dürfte. Ich weiß, ich weiß, wenn man als kritischer Geist, nein: Nörgler, Negativist, Nestbeschmutzer verschrien ist, muss man mit virtuellen oder echten Buhrufen rechnen, wenn man versucht, der Wahrheit gerecht zu werden – oder meinem Credo, das ich gerne wiederhole: Was wiegt, das hat´s. Was sich halt nicht immer und schon gar nicht unbedingt mit der heimischen, auch medialen Unart deckt, Niederlagen zumindest in moralische Siege oder aber eine perfide Macht des Schicksals zu verwandeln.

Österreichs Fußballfrauen, längst keine Wadelbeißerinnen mehr, sondern als Legionärinnen durch professionelle Auslandsligen gestärkt, haben sich auf der Insel so teuer wie möglich verkauft. Sie haben sich spielerisch so verbessert, dass sie fast auf Augenhöhe mit der in Europa ziemlich überschaubaren Elite (Deutschland, England, Holland, Frankreich, Schweden, Spanien) sind, sie sind enorm lauffreudig, sie haben taktische Lernfähigkeit demonstriert und großen Mannschaftsgeist, gar keine Frage. Aber abgesehen vom Blackout der Arsenal-Torfrau Zinsberger, der das 0:2 und Euro-Aus endgültig besiegelte, mangelt es nicht nur den „AustrianerInnen“ an Schusskraft und Abschlussstärke. Weitschuss-Traumtore wie jenes der Britin, ich denke sie hieß Stanley, gegen Spanien haben (noch?) Seltenheitswert im Frauenfußball. Was wiegt, das hat´s, um das zu wiederholen.

Da konnte Irene Fuhrmann noch so schreien – die deutschen Fußballfrauen durften über ein Semifinale jubeln.

Im Blick zurück ohne Zorn, aber voller Stolz, wurde immer wieder auf die ungerechte Macht des Schicksals verwiesen, die sich gegen die rotweißrote Legionärstruppe der eloquenten Teamchefin Irene Fuhrmann verschworen habe. Immer wieder wurde auf die drei Stangen- bzw. Lattenschüsse hingewiesen, die Tore hätten sein und das Match hätten drehen können. Das ist als authentische Interpretation durchaus zulässig, hat aber auch ein bisschen was von Sommermärchen an sich, weil auch die deutschen Frauen nicht nur zweimal angeklopft, sondern es gleich dreimal geschafft haben, das leere Zinsberger-Tor zu verfehlen oder aber an der bis zum grausam-gruseligen Slapstick-Fehler tollen Torfrau zu scheitern.

Und bei allem Respekt vor dem Euro-Auftritt mit Aufstieg ins Viertelfinale, der so verkauft wird, als wäre er ein einzigartiges, historisches Erlebnis, so sei daran erinnert, dass Rotweißrot vor fünf Jahren in Holland mit einem Großteil der damals noch weniger routinierten SpielerInnen erst im Elferschießen des Semifinales gegen Dänemark (0:3 i. E.), ausgeschieden sind. Also noch viel knapper als heuer, aber ohne auch nur annähernd vergleichbarer, abseits von Österreich-Spielen eher überdimensionierter, auch von Hurra-Patriotismus begleiteter Berichterstattung. Ganz so, als hätten ÖFB und ORF in angestimmter Harmonie den Frauenfußball neu entdeckt, seit das Nationalteam von einer Frau und nicht mehr von Dominik Thalhammer, dem Geburtshelfer der inzwischen überholten Euro-Mania von 2017, gecoacht wird. 

Bin schon gespannt, ob sich bei den künftigen Live-Übertragungen der Frauen-Bundesliga auf Nebenschauplätzen die euphorisierten TV-Fans vor lauter Neugier gegenseitig auf die Zehen treten. Oder der Alltag mit ein paar Dutzend bis ein paar hundert Zuschauern einkehrt. Die Frauen, die für ziemlich viel Furore auf der Euro-Insel sorgten, wird man hierzulande nämlich nicht sehen, sondern nur Second Hand-Spielerinnenmaterial. Abwarten, ob sich der Frauenfußball-affine Sportminister auch dort, wo es wenig Gesichtswäsche gibt, blicken lässt? Es wär´ zu schön, um mehr als nur einmal wahr zu sein. Und die nächste WM in Australien/Neuseeland ist vor allem der Flugzeit wie des Zeitunterschieds wegen ganz schön weit weg…

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