Werte Blog-Leser, ich habe sie jetzt mehr als einen Tag lang weder erfreuen, ergötzen noch ärgern oder entsetzen können, weil mir eine schwere Verkühlung in die Quere gekommen war. Das einzig Positive an dieser Geschichte war, dass ich negativ getestet wurde auf Corona, was man auch den vielen Impfungen zusprechen darf. Den Wien-Marathon mit all dem Drum und Dran hab´ ich ja noch erlebt und beschrieben, aber dann ging´s leider mit mir so schnell bergab wie mit Andy Vojta, den voreilig gefeierten, dann tragischen Wien-Helden. Aber bei späterer Durchsicht der sportlichen Zahlen und Daten kann man schon sagen, dass dieses Wochenende zumindest von den Siegen, Titeln und Medaillen ein höchst erfolgreiches Weekend gewesen ist, das eben nicht alle achte Tage passiert, schon deswegen, weil ja nicht jede Woche irgendwo ein Titelkampf ansteht.
Also: Wenn das kein Tennis-Fest von Feinsten war, was dann? So könnte man sagen oder fragen nach dem Doppel-.Triumph von Erler-Miedler beim ATP-Turnier in München, Ihr vierter gemeinsamer Titel, der zweite im Jahr, mit dem sie ihren Vormarsch im World Ranking fortsetzten. Das ist aller Ehren wert, dazu muss man gratulieren, dass sich da zwei Aussortierte (jenseits 300 oder mehr) gefunden haben, um mit vereinten Kräften zuzuschlagen. Auch wenn ein leicht verbesserter Thiem im Einzel vorzeitig ausschied, aufs Doppel ist aktuell Verlass. Auch auf Philipp Oswald, der mit dem Niederländer Robin Haase, zweimal Kitz-Sieger vor mehr als zehn Jahren, gut unterwegs ist. Alter schützt vor Doppelklasse nicht, da muss man sich nur den Altersschnitt anschauen.
Zu den jüngeren Einzel-Semestern zählt der Austro-Kroate Filip Misolic, der im italienischen Roseto einen 73.000-Dollar-Challenger gewonnen hat, den zweiten seines Lebens. Mehr als Siegen kann man nicht, das ist mir klar, ebenso klar aber muss sein, dass man Realist genug sein sollte, um zu wissen, gegen wen gewonnen wurde. Misolic, als Nr. 134 als Nr. 1 gesetzt (jetzt 126), hat der Reihe nach gegen die ATP-Nummern 259, 276, 170, 219 und 249 (Raphael Collignon, Belgien) die Oberhand behalten. Ich verwahre mich dagegen, daraus falsche Schlüsse zu ziehen. Es ist nicht alles so golden, wie es schön glänzt.
Wie Sie sich vielleicht erinnern, hab´ ich kürzlich davon geschrieben, dass Wien einmal die Stadt der starken Männer war, was inzwischen überholt ist, denn – nehmen wir einmal zwei eingebürgerte Armenier aus, die jetzt zweimal Bronze für Austria holten, – dann ist´s nämlich eine waschechte Kremserin aus der Wachau, die ihre Muskeln spielen lässt. Und ebenfalls eine EM-Bronzemedaille in Jerewan holte, der Ex-Heimat ihrer jetzt rotweißroten Stemmkollegen. Erinnert mich an die Zeiten, als Austro-Kanadier geholt wurden, um uns aus dem Keller zu holen. Das war damals schwierig, weil die Beletage nur acht Nationen bestand – und (Sowjet)-Russen damals noch nicht ausgeschlossen waren. Beim Gewichtheben, wo sie schon immer zu den Besten gehörten, sind sie aktuell ja auch nur TV-Zuschauer.
Über das von Chefolympier Bach angedeutete Russen-Comeback bei Olympia wurde auch von einigen Verbandspräsidenten diskutiert, wobei sich Schwimmerchef (Pajek) und Judoboss (Poiger) als Sprachrohre ihrer Welt- und Europaverbände als Hardliner mit klitzekleinen Einschränkungen präsentierten, während ebenso zwangsläufig der alemannische Tennispräsident Ohneberg die Linie des Weltverbandes ITF wie von ATP und WTA vertritt, dass niemand seines Passes wegen diskriminiert, also ausgeschlossen werden dürfe. Also dürfen die Mainstream-Renegaten in aller Welt aufschlagen, auch in den USA, natürlich nur solange, solange sie Impfzeugnisse bis Mai vorweisen können, dann soll ja das Virus weg sein. Witzig finde ich die „Pass-Version“, der UN-Charta entlehnt. Es darf zwar jeder Russe oder Weiß-Russe spielen, aber sein Pass-Land muss namenlos bleiben. Steht das auch in der Menschenrechts-Charta? Von den sportpolitischen Rösselsprüngen könnten sich die Nachfahren des biblischen Salomon was abschauen.
Abgesehen vom Zugeständnis, dass die Russen nur sportlich, aber nach außen doch nicht Flagge zeigen dürfen, finde ich sowohl den Bach-Vorstoß („Die Politik darf nicht sagen, wer bei uns starten darf!“) als vernünftigen Versuch, das Feuer mit Wasser und Sand zu löschen statt es mit Öl anzufachen. Und in diesem Zusammenhang möchte ich die ziemlich einseitig gepolten Gutmenschen daran erinnern, dass es in den 60er-Jahren die US-Amerikaner waren, die einem militanten Vietnam-Kriegsgegner namens Cassius Clay vulgo Muhammad Ali den WM-Titel weggenommen und vor Gericht gestellt haben. Er wurde trotzdem noch zweimal Weltmeister, ein weltweites Symbol und in Wien zum Sportler des Jahrhunderts gewählt.
Der Schwimmpräsident, ein Jurist, hat übrigens als Anwalt der Ukrainer angemerkt, dass viele von Sportler/Schwimmer: Innen im Krieg ihr Leben verloren hätten, viele Überlebende aber keine Trainingsstätten mehr hätten und darum ins Ausland ausweichen müssten, weg von Heim, Herd, Pool mit oder ohne Trainer. Das ist natürlich kein Wunschkonzert, aber wenn ich denke, dass der Olympiazweite- und dritte 2021, der vielfache Europameister Michail Romantschuk schon kurz nach Ausbruch der Russen-Invasion ein schönes Nest in Magdeburg gefunden hat, lässt sich damit schon leben. Ein Exil all inclusive im Schwimmzentrum, wo er mit dem neuen deutschen Superstar Lukas Maertens auch einen fabelhaften Trainingspartner erhalten hat. Auch seine Frau, Drei- und Weitspringerin (4 x Gold, 3x Silber und Bronze) die seit Jahren in ganz Europa ihre Trainingszelte aufgeschlagen hat, ist jetzt bei ihm in Magdeburg domiziliert. Vom Preisgeld allein werden sie kam leben…
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Und ich bin mir sicher, dass es ihnen besser geht als dem Heeressportler, WM-Sechsten, Staffel-Medaillengewinner und Delfin-Rekordschwimmer Simon Bucher, der übrigens ganz ohne Krieg von Tirol nach Linz wechseln musste mit 20, um fern der Heimat auf einer jener wenigen 50-Hallenbahnen trainieren zu können, die es im angeblich so reichen hierzulande gibt. Pajek ist seit sechs Jahren im Amt. Die Ämter rundum werden in Abfolge größer, von großen Sponsoren sehe ich nichts. Und von Titel eines Europa-Vizepräsidenten, mit dem sich der heimische Schwimmboss so gerne schmückt, kann sich Simon Bucher, eine olympische Medaillenhoffnung wie Felix Auböck, nichts kaufen. Kleine Nachricht am Rande: Wolf Grünzweig (TWV), der Entdecker, erste Trainer und Mentor von Bucher, warf das Handtuch. Grund? Mobbing!
Soweit zu Bucher und zurück zu Romantschuk x 2: Mein Mitleid hält sich als Kriegskind, das den Vater verloren hat, als es neun Monate war, und auch darum, weil es die Folgen des Kriegswahnsinns nicht nur von TV-Horrorbildern kennt, in Grenzen. Ich bin auch gegen Kriege, auch gegen jene, wo sich zu Umsturzzwecken neue Allianzen und Alliierte bilden. Und ich bin auch gegen welt- und europaweit sehr gut organisierte, ehr gut orchestrierte Tränendrüsen-Politik im Sport. Ich bin schon gespannt, wie manch einer in ein, zwei Jahren denkt und redet. Ich muss mich hingegen beeilen, dass mich im Rennen gegen die Uhr nicht so etwas wie ein „Marathon-Vojta“ ereilt, weil ich bis zur Sponsion meines jetzt Juristen-Sohnes Severin Metzger am Donnerstag, High Noon, fit sein muss.…
Simon Bucher musste fehelender 50m-Halle ins Linz-Exil, den Romantschuks geht´s in Magdeburg sehr gut.