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Tennis-Lady Grabher oder: Ohne viel Schweiß auch kein stets wachsender Preis

Ich weiß, ich weiß, es gibt noch immer viele Bekannte und auch Kollegen, die meinen, man sollte mit Dominic Thiem nicht so hart ins Gericht gehen, schließlich wäre er ja ein Grand-Slam-Sieger und Weltranglistendritter gewesen. Ja, das stimmt, das war er, aber was war, das zählt erst recht in dieser, unserer schnelllebigen Zeit nicht mehr. Gemessen werden Sportler: Innen immer daran, was sie aktuell leisten und weniger an dem, wozu sie einmal fähig waren, weil ihnen eben das ganz im Gegenteil sozusagen noch auf den Kopf fällt.

Darum auch bin ich persönlich kein Fan von verzerrenden Bilanzen und Statistiken, die meist nichts mit Momentaufnahmen zu tun haben, egal in welchem Sport. Im Fußball etwa haben wir 1954 (!) die erste und bisher einzige WM-Bronzemedaille im Duell mit dem schon  im Semifinale von Ungarn entthronten Weltmeister Uruguay gewonnen – und heutzutage oder demnächst wären wir froh und glücklich, wenn wir uns für die ums Dreifache aufgeblähte WM-Endrunde qualifizieren!

Um zurückzukommen auf Thiem, so sei auch daran erinnert, dass er sich mehr als ein Jahr lang selbst betrogen hat, wenn er jetzt gesteht, dass er zu lange zu wenig und vor allem zu wenig hart trainiert hat unter dem mittlerweile gefeuerten Schönwettercoach Nicolas Massu, Doppelolympia- und Kitz-Sieger von 2004. Jedenfalls bei weitem nicht so an die Leistungsgrenzen gehend wie vor dem unter seinem alten Mentor, Manager und Drilltrainer Günter Bresnik. Der Arzt-Sohn, der auch einen Boris Becker, einen Jakob Hlasek, einen Horst Skoff und andere im Laufe seiner langen Karriere unter seinen Fittichen hatte, demonstriert mittlerweile mit der Vorarlbergerin Julia Grabher, 26, was alles im Tennis möglich ist, wenn man sich anstrengt. Devise: Ohne Schweiß kein Preis.

Julia geht im (Südstadt)-Training immer wieder dermaßen an und über die Schmerzgrenze hinaus, dass auch der kritische Bresnik voller Bewunderung für diese professionelle Einstellung ist. Kämpfen bis zum Umfallen, bis man siegt. Ob´s nur (m)eine Vermutung ist, das kann ich nicht sagen, aber sie ist auch in einem sportlichen Umfeld aufgewachsen, zu dem unter anderen als enger, guter Freund ihres Vaters Jürgen ein gewisser Marc Girardelli zählte, der 1987 mit ausgekegelter Schulter sein WM-Kombi-Gold gewann. Ein streitbarer Solist mit einem streitbaren Papa, der ihn in der Morgendämmerung zum Training holte, weil danach kein Platz für die Außenseiter der Skigesellschaft war.

Mit Marc hab´ ich Jürgen Grabher vor einigen Jahren im Hotel Central beim Weltcupauftakt in Sölden kennengelernt, seines Zeichens Betriebswirt und Geschäftsführer einer Textilfirma, aber auch Vizepräsident des Tennisklubs Dornbirn. Vater und Mutter haben sich die Karriere der Tochter einiges kosten lassen. Jetzt zahlt sie alles zurück. Im Vorjahr hat sie ihr erstes Challenger-Turnier in Bari gewonnen. Vor Paris in Rabat, Marokko, ihr erstes WTA-Finale erreicht, aber in drei Sätzen knapp verloren. Und in Paris kämpft sie morgen nach dem Premierensieg bei einem Grand-Slam-Turnier gegen die Vorjahrsfinalistin Cori Gauff (USA) um einen Drittrundenplatz und die Schwelle zu den Top 50. Die 60 hat sie schon geknackt und mit der 2. Runde in Roland Garros auch ein Preisgeld von 97.000 Euro (brutto) am Konto.

Wer das vor drei Jahren im burgenländischen  Oberpullendorf prophezeit hätte, als Julia im Finalduell mit der Auslandsösterreicherin Sinja Kraus den Meistertitel gewann, wäre als Illusionist oder Utopist abgekanzelt worden. Inzwischen beginnt eine der ehrgeizigsten, fleißigsten, kräftigsten, sich stets verbessernden Mittzwanzigerin für ausgeschlossen gehaltene Träume zu verwirklichen. Um wieder auf Thiem zu sprechen zu kommen, so hätte ich mir ganz persönlich diese geradezu fanatische Leidenschaft einer Julia gewünscht, die mitunter auch Zauberbälle aus dem Ärmel schüttelt. Sie ist jedenfalls dabei, ihr Potenzial zu erweitern und auszuschöpfen, während Dominic, was diese Eigenschaften betrifft, eben vom Thiem zum Thieminho geschrumpft ist. Leider!

PS: Was für Grabher gilt, trifft zu einem gewissen Grad auch auf den im „Thiem-Stall“ trainierenden „Underdog“ Ofner zu. Der Steirer gewann das Duell der beiden Sebastians gegen den nach langer Verletzungspause vor allem auf Sand schwächelnden Korda-Sohn (USA, Nr. 24) in drei Sätzen 6:3, 7:6, 6:4, womit der Qualifikant zum zweiten Mal nach Wimbledon die 3. Runde eines Grand-Slam-Turnier erreichte – und damit schon 142.000 € in der Tasche hat. Und das alles ohneVorschusslorbeer, den andere, etwa Juri Rodionov oder ein Filip Misolic, erhalten.  Der wieder hat sich bei einem deutschen Challenger schon in Runde 1 vertschüsst. Das sagt alles über das Kitz-Wunder 2022 aus.

 

 

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