LIVE MIT JOE METZGER

Was Novak Djokovic, immer wieder Zielscheibe der Kritik(er), zum Grand-Slam-Rekordler gemacht hat

Novak Djokovic hat heute Tennisgeschichte geschrieben in Paris mit seinem dritten French-Open-Sieg und dem 23. Rekord-Grand-Slam-Titel. Wer die Anfangsphase des Endspiels gegen den wiederum besiegten Norweger Casper Ruud versfolgt hat, der hätte kaum damit gerechnet, weil´s eher schien, als hätten den Djoker die bösen New-York-Geister eingeholt, als er 2021 von allen guten Geistern verlassen auch den ersten Saison-Grand-Slam seit Rod Laver (1969) vergeigte.

Aber da Irren bekanntlich menschlich und Djokovic nicht irgendein Novak ist, sondern einer der besten, wenn nicht der beste, zumindest aber der kompletteste Spieler aller Zeiten, so hat der selbst von und bei Tennisfans oft ungeliebte bis unbeliebte Serbe sowohl seine Fehlerquote minimiert als auch jene des vorerst über seine Verhältnisse spielenden Gegners immer mehr erhöht. Und damit auch das Finale schon im ersten, 81 Minuten langen Satz auf den Kopf gestellt, im Tiebreak den Meister hervorgekehrt und im engen dritten Satz dann, als er es unbedingt haben wollte, mit dem Break zum 6:5 sozusagen den Sack zugemacht. Einen Matchball konnte der tapfere Wikinger noch abwehren, aber dann war Schluss mit lustig, dann ließ sich der Djoker rücklings in den roten Sand des Chatrier-Courts fallen, um gegen den Himmel zu schaue, von dem er die Sterne geholt hatte.

Obschon er mehrmals von Grand-Slam-Turnieren ausgesperrt worden, worüber wir noch zu reden/schreiben kommen, hat er jetzt mit 23 Titeln auch den ewigen, aktuell frisch operierten Langzeitrivalen Rafael Nadal als alleiniger Rekordler überholt. Man sollte zwar niemals nie sagen, aber wenn ich mir die Next-Generation anschaue, den schon jetzt als Jung-Twen von Krämpfen geplagten, als Seriensieger von morgen hochgelobten Carlito Alcaraz inklusive, dann ist schwer vorstellbar, dass in den nächsten Jahren/Jahrzehnten einer kommt, der ihn übertrifft. Da das Tennisjahr ja erst bei Grand-Slam-Halbzeit angekommen ist, wage ich eher zu prophezeien, dass Djokovic auch die 24 Siege einer Margaret Court (vormals Smith) knackt, bevor er in die Tennispension geht, von der er aber angesichts seiner Fitness, Kondition und Mentalstärke trotz seiner 36 Jahre und 22 Tage noch ziemlich weit entfernt scheint. Abwarten, was noch kommt.

Ja, da legst dich nieder oder greifst dur noch an den Kopf: Verzweifelter Ruud, rücklings im Sand von Paris jubelnder Djokovic.

Nicht nur seiner Rekorde wegen, die er jetzt zudem auch noch hält als ältester French-Open-Sieger und einziger Tennisstar, der jeden Grand-Slam zumindest dreimal (9xMelbourne!) gewonnen hat, gilt meine Bewunderung diesem Mittdreißiger. Wäre er Amerikaner, Brite, Deutscher oder Australier, dem „Djoker“ würden allerorten die Herzen zufliegen angesichts seiner Erfolge, darauf würde ich Wetten abschließen. Aber als Serbe, der seinen Nationalstolz aus Überzeugung oder gar aus Trotz ebenso verteidigt wie er als bekennender Impfmuffel auf einige Grand-Slam-Chancen verzichtet hat, war und ist er eine beliebte Zielscheibe der Kritik(er). Wie gesagt: Kein Sympathieträger, sondern einer, der immer wieder auch gegen das Publikum als zweigten Gegner kämpfen muss. Und trotzdem immer wieder gewinnt!

Wie gesagt, aus diesen Gründen, aber auch seines asketischen Wesens halber und seines oft verbissenen Ausdrucks wegen war und ist Novak Djokovic nicht nur bei weiten Teilen der Tennis-Community wie der allgemeinen Sportgesellschaft negativ besetzt und als humorloser Egomane punziert, obschon dem so nicht ist. Ich kann mich selbst daran erinnern, welch Lach- und Beifallssalven der Djoker einst beim US-Open ausgelöst hatte, als er bei Show-Einlagen als Pausenfüller die Marotten manch seiner damaligen Gegner imitierte – ob Nadal mit dem Gezupfe von oben bis unten, vorn und hinten, ob Boris beim Aufschlag, ob Federer, Murray und andere, ehe er es sich mit dem US-Publikum verscherzte, weil er einen Andy Roddick veräppelte. Na, mehr hat er nicht gebraucht, um fast vom Platz gepfiffen und gejagt zu werden…

Damals war er noch jung und ein Rekord noch in weiter Ferne. Aber den Witzbold von einst, den gibt´s beim Superstar von heute schon lange nicht mehr. Es mag brillantere Individualisten, charismatischere Größen, schillerndere Figuren gegeben haben im LKaufe der Tennis-Generationen, ich hingegen wage zu behaupten: Novak Djokovic ist deshalb der alleinige Grand-Slam-Rekordler, weil er zwar nirgendwo der Allerbeste war und ist, aber ein Alleskönner, der weniger Fehler macht als andere, der sich besser fokussieren und motivieren kann als andere – und der von Kopf bis Fuß über eine mentale und körperliche Stärke verfügt, die ihresgleichen sucht. Die Summe daraus hat ihn zur Nummer 1 gemacht. Im Zeitraffer wurde es am 11. Juni 2023 in Roland Garros von Paris eindrucksvoll bestätigt.

Zum Kommentieren hier klicken

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Meist gelesen

To Top

Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen ein angenehmeres Surfen zu ermöglichen