Als bekennender Ewiggestriger, für den Werte wie Fairness, Respekt, aber auch Toleranz selbstverständlich waren im Sport, der sogar im Kalten Krieg der Nachkriegsjahre viele Brücken gebaut hat, wird mir seit geraumer Zeit das Gegenteil vor Augen geführt. Mit dem Krieg, den Moskau, Kreml und Putin seit bald zwei Jahren gegen Kiew, Klitschkos, Selenskyi und Ukraine führen, hat sich – verzeihen Sie, dass ich das vermute – auf höheren Polit-Befehl eingebürgert, dass ukrainische SportlerInnen im Allgemeinen und TennisspielerInnen im Besonderen den Handschlag beim Abgang am Netz nicht nur mit russischen, sondern auch weißrussischen GegnerInnen verweigern, ganz so, als würden die höchstpersönlich nicht nur spielerische Waffen und Munition besitzen.
Mir geht´s jetzt nicht darum, politisch oder ideologisch irgendeine Partei zu ergreifen, sondern schlicht und ergreifend für den Sport und auch für SportlerInnen, die – wenn sie nicht von vornherein seit zwei Jahren ausgeschlossen sind – sowieso nicht unter der Flagge ihres Heimatlandes antreten dürfen, sondern sozusagen als weiße statt schwarzer Schafe.
Was seit Jahren etablierte SpielerInnen a la Switolina, Kostjuk, Kichenuk oder Tsurenko dazu bewegt, auf das normal obligate Shakehands mit GegnerInnnen zu verzichten, die ihre Sprache sprechen, weiß ich nicht. Dass aber ein Teenager wie Velyzabeta Kotliar (Foto, Manila Times) beim ukrainischen Tennisverband in des Teufels Küche kommt, weil sie ihrer russischen Bezwingerin Vlada Mincheva nach der Erstrunden-Niederlage im Juniorenturnier der Australian Open in einem für sie von Kindesbeinen an geläufigem Ritual anerkennend die Hand geschüttelt hat, ist höchst irritierend.
Weil Velyzabeta mit Konsequenzen oder gar Sanktionen, ein politisches Modewort, hätte rechnen müssen, ist sie kleinmütig zu Kreuze gekrochen. „I´m deeply sorry“, so wird das junge Fräulein zitiert, das halt nur in sportlichen Dimensionen gedacht hatte. Und solange, das möchte ich festhalten, russische und weißrussische Sportler zugelassen sind und mitspielen dürfen, solange sie sich auch sportlich fair verhalten, solange muss auch für ihre Gegner der sonst gerade im Tennissport so hoch gehaltene Code of Conduct gelten. Auch das wäre ein Zeichen…
Viel sportlicher, viel fairer, klüger und friedenstiftender wär´s, würden sich auf dem Spiel- statt Schlachtfeld die Galionsfiguren die Hände reichen als ehemalige Brüder und Schwestern, die fast die gleiche Sprache gesprochen und Jahrhunderte lang verbunden waren. Auch wenn mich Hardliner nicht oder falsch verstehen wollen, so warne ich davor, nicht nur bekannte, wie auch immer denkende Sportler in politische Geiselhaft zu nehmen oder als Schergen zu missbrauchen. In welcher Form und welche Richtung immer wird man dort, wo Hass gesät oder gepredigt wird, auch Hass ernten. Und das ist ganz sicher nicht im Sinne des Sports. Weder gestern noch heute:
PS: In diesem Zusammenhang ist mir aufgefallen, dass unwissentlich oder doch bewusst verschwiegen wurde, dass die im Semifinale von der Chinesin Zheng gestoppte Ukrainerin Jastremska nicht nur des Krieges wegen im Ranking weit zurückgefallen war, sondern auch deshalb, weil sie wegen eines Dopingvergehens einige Zeit gesperrt wurde. Ja, an alles kann man nicht denken. Darum passt auf die Herz-Schmerz-Story der Jastremski-Traumreise der Shakespeare-Spruch aus King Lear perfekt…