Noch immer gehen die Wogen hoch wegen der skandalösen Vorfälle mit zahlreichen Verletzten und hunderten Anzeigen beim Fußball-Derby der Wiener Traditionsvereine, bei dem es inzwischen alles andere denn stolze Tradition geworden ist, dass es zu mehr oder weniger wilden Ausschreitungen kommt. Welche Konsequenzen es gibt oder doch nur halbherziges Wasch-mir-den-Pelz-aber-mach-mich-nicht-nass, das wird sich ja in den nächsten Tagen noch zeigen.
Jedenfalls hat dieses Generalthema die doch überraschende Meldung in den Hintergrund gedrängt, dass sich nach dem neuerlichen Challenger-Debakel das zum Tennisjuwel stilisierte 18 1/2-jährige Talent Joel Schwärzler von seinem Sportdirektor-Mentor-Coach Jürgen Melzer unversehens verabschiedet hat, obschon sie bis vor kurzem eine unzertrennbare Einheit zu sein schienen. All das natürlich mit Schalmeien-Tönen, wie sich die nun Geschiedenen gegenseitig mit Lob bekränzen, welch ein Gunst, wenn nicht Gnade es gewesen wäre, miteinander einen langen Weg gegangen zu sein.
Es kommen einen dabei fast die Krokodilstränen, obschon es für mich eher zum Weinen ist, dass plötzlich ein in der großen, weiten Tenniswelt noch unbeschriebenes Blättchen als Teenager jetzt erfahren und weitblickend genug sein soll, sein eigenes Erfolgsteam zusammenzustellen, mit dem er dann jenen Höhenflug und Himmelsturm antritt, der uns schon vor einem Jahr bei einer PK im Rahmen der Erste Bank Open 500 angekündigt, wenn nicht versprochen worden war, aber nicht eingetreten ist. Was wiederum bestätigt, dass man mit Jugend- und Juniorensiegen vorsichtig umgehen muss, weil diese Turniere und die echte große Tour, sogar schon die zweite Ebene, verschiedene (Tennis)-Schuhe sind, in die man erst schlüpfen muss ...
Auch wenn sich Melzer, ab sofort nicht mehr Jürgen-Dampf in allen Gassen, von mir angegriffen bis verfolgt fühlt, so lag und liegt er damit falsch. Ich persönlich glaube vielmehr, dass nicht nur im heimischen Tennissport die plakativ wichtige Rolle eines Sportdirektors wie bei kleineren Fußballklubs überschätzt oder falsch interpretiert wird. Wenig Nutzen, manchmal nicht einmal Schadensbegrenzung auf Staats- und Starlet-Kosten.
Wär´s anders, müssten vor allem in klassischen Sportarten unter der Führung de Direktoren die Talente wie Schwammerln aus dem Boden wachsen, was ja trotz manch an Fake News grenzenden (Eigen) Lob-Meldungen bei den meisten klassischen (Welt) Sportarten leider nicht der Fall, vielmehr wie eh und je Fakt ist, dass die größten Hoffnungen aus Keimzellen kommen oder sich als Export-Athlet: Innen im Ausland unter ganz anderen Herausforderungen zu Final- und Medaillenkandidaten entwickeln. Nicht zu vergessen, dass in einigen Hoffnungen auch fremdes Blut fließt wie bei Hudson, Straka, Polcanova, Borchashvilis und auch Schwärzler, der nach Muster unsere zweite Nr. 1 der Juniorenwelt war.
Wo. bitte vielmals, ist ein Auböck-Nachfolger in Sicht, wo jüngere Ersatzleute für die Gold-Staffel, wo eine Rückenschwimmerin, die die Klasse-Rekorde der mit 22 Jahren und unbewältigten Problemen abgetretenen, historischen Juniorenvizeweltmeisterin Grabowski aufs Kreuz legt? Wer tritt in die Fußstapfen eines ;Lukas Weißhaidinger, wenn der keineLust mehr auf Scheibe hat? Oder wo eine Amazone, die Vicky Hudson folgt? Wer oder was war schuld daran, dass die ehemalige Mehrkampf-Junioren-Vizeweltmeisterin Sarah Lagger so abgewirtschaftet hat, dass sie jetzt als letzten Ausweg das Ausland sucht? Die Lobnig-Schwestern haben das künftig olympische Küsten-Rudern entdeckt, aber welche Jungstars reißen sich so am Riemen, dass man bald Großes vom Einer bis zum Achter erwarten darf? Vom Triathlon, wo der ehemalige Rogan-Wien-Trainer Michlmayr das Zepter schwingt, lieber ganz zu schweigen, wenn bei Olympia der 23 Rang, bei einer Folge-EM in Vichy am vergangenen Wochenende ein 19. Platz (Alois Knabl) und ein 24. (Julia Hauser) das Höchste der Gefühle sind?
Ein Tag des Sports mit allem Pomp und Trara sollte nicht nur dazu da sein, Orden und Ehrenzeihen für oft sogar länger zurückliegende Leistungen auch als Wahlzuckerl zu verteilen, sondern sich auch zusammenzusetzen und zu diskutieren, warum Input und Output in unserem Sport in keiner vernünftigen Relation stehen. Und wir lieber mit hochtrabenden Titeln herumwerfen statt zu schauen, ob eben dort, wo Fortschritt draufsteht, auch eine wirklich gute, kontinuierliche Entwicklung drinnen steckt. In diesem Sinne frei nach Michael Heltau sei gesagt: Auf d´Nacht, Herr Direktor!