Sehen wir einmal von Conny Hütters Doppelpack und wenigen anderen Ausreißern nach oben ab, dann muss man sich jedenfalls mehr Sorgen um unsere Alpinen machen als die ewig zuversichtliche Frau ÖSV-Präsidentin, die einst so eine Slalomkanone war wie ihre Tochter Teresa mit dem Oranje-Norsker-Steirer Mika Vermeulen inzwischen als Loipen-Trumpf. Wenn eine frühere Podest- und fast Olympiamedaillengewinnerin wie Katharina Truppe, die in jungen Jahren sommers über am Hof noch Kühle gemelkt hatte, einen 8. Platz in Kranjska Gora als Befreiungsschlag bejubelt, dann weiß man, dass es Dreizehn geschlagen hat bei unseren Ski-Damen, die zum Großteil langsam, aber sicher auf ihren 30er zugehen, wenn sie ihn nicht schon am Buckel haben.
Ich schneide dieses Thema aus verschiedenen Motiven an und nicht zuletzt mit dem Hinweis auf die noch 20jährige Kroatin Zrinka „Sisi“ Ljutic, die heute im Duell mit dem Swiss-Evergreen Wendy Holdener ihren zweiten Weltcup–Slalomsieg in Folge feierte. Wie einst ihre Vorbilder, die Kostelic-Kinder Janica und Ivica, wird auch sie vom Papa Amir trainiert, der sie dann und wann, da und dort mit Girls aus kleinen Nationen trainieren lässt. Im kleinen Rahmen und nicht in aufgeblähten Kadern.
Ich thematisiere das, weil Ljutic aus Zagreb kommt, Millionen-Metropole Kroatiens, wo es trotz 1000m hohen Sljeme so selten Schnee gibt wie in Wien, das tiefer liegt, dafür eine 130jährige Skitradition hat und immer noch eine in Abertausende gehende Zahl an Skiläufern beherbergt. Im Gegensatz zu den Stadtadlern aus Wien (Initiative von Hupo Neuper), deren Vorzeigespringer wie Junioren-Teamweltmeister Obersteiner oder Meghann Wadsak allerdings in Stams oder Saalfelden ausgebildet wurden und stationiert sind, gibt´s trotz Riesenreservoir längst keine konkurrenzfähigen Alpinrennläufer mehr aus der Zweimillionenstadt. Und das ist angesichts dessen, dass uns langsam Nachwuchstalente ausgehen, ein eklatantes Versäumnis auch seitens des ÖSV, der in teils verlorene Generationen sehr viel Geld steckt, obwohl immer weniger dabei herausschaut…
Anders als beim überschaubaren Springerkreis scheinen sich bei der weit größeren, stärkeren Alpinkonkurrenz viele Großstadt-Eltern zu scheuen, ihre Kinder womöglich auf eigene Unkosten schon in Unterstufenjahren in entfernte Internate zu schicken, wo sie sich oft der Familie entfremden. Obschon passionierter Gesundheitsschwimmer, wäre mein Vorschlag, dass man das in den 70/80er-Jahren produktive, mittlerweile produktionslose Schwimmgymnasium in Wr. Neustadt in ein Skigymnasium verwandelt, das auch von Wien-Heimschläfern morgens problemlos (Zug fährt 25 Minuten!) frequentiert werden könnte, um von dort in 30 bis 50 Minuten zum Skitraining nach Semmering, Stuhleck, Wechsel, Puchberg etc. zu fahren, aber abends wieder im eigenen Bett im Kreise der Familie zu schlafen.
Ich würde sogar wetten, dass sich das a la longue rentieren und womöglich auch Schüler mit Migrationshintergrund zum Alpinskilauf bringen würde. Wie die Sportgeschichte lehrt, lässt sich aus breiter Masse immer noch leichter Klasse holen statt trotz wachsender Nachschubdefizite darauf zu verzichten, ein großes, bisher brachliegendes Skiläuferfeld zu beackern. Warum sollte aus Wien keine rotweißrote Alternative zu einer Ljutic kommen, die aus einem Land und einer Stadt kommt, die man früher eher mit Sommer- als Skisport assoziiert hat?
So nebenbei sei erwähnt, dass es an Stadtkindern, die es zu Olympiasiegen, WM-Titeln und Medaillen gebracht haben, keineswegs mangelt, man denke nur an Tomba la Bomba (Bologna-Weinberge), Peter Müller (Zürich), Urs Lehmann (Rudolfstetten bei Zürich) oder aber Colturi-Mama Daniela Ceccarelli aus Rom, die 2002 in Salt Lake City zu Super-G-Gold gerast war. Und ihre Gene jetzt nach Zwist mit Italien, mit bulliger Hilfe, aber auch unseres emeritierten Ski-Napoleons Mitgift für den Alpinexoten Albanien mit dem Teenager-Töchterl siegen lässt…