Wie weit ist´s der Mensch, wie weit die Maschin´, das ist die Frage, die man sich unwillkürlich stellt angesichts des atemberaubenden Retourganges der Zweirad-Ikone Valentino Rossi. Er, der jahrelang gewohnt war, den Gegnern den Auspuff zu zeigen, schaut jetzt immer öfter und immer weiter hinten in den selbigen von immer mehr MotoGP-Piloten. Zwei verpatzte Rennen zum Auftakt, auf Platz 21 nach dem ersten Trainingstag in Jerez de la Frontera, das ist deprimierend, nein: schon demütigend für einen Weltstar, dem die Fans zu Füßen lagen.
Rossi, das bubenhafte Schlitzohr. Valentino, der charismatische Seriensieger. Rossi, der Doctor, der seinen Gegnern jahrelang Lektionen erteilte. Valentino, der Vale, der längst eins ist mit der Nummer 46, die ganze Motodrom-Sektoren füllten, als Fans noch live ihr Idol anfeuern, bewundern und abfeiern durften. Ja, warum wurde aus einem fabelhaften Front-Runner von (vor)gestern ein fast schon bemitleidenswerter Nachzügler, der immer mehr den Anschluss an die jungen Wilden der Gegenwart verliert?
Hat sich Rossi mit dem Wechsel vom Werks-Stall zu einem privaten Yamaha-Team verspekuliert? Oder ist´s einfach der Zahn der Zeit, der an dem inzwischen 42-jährigen Italiener aus Urbino nagt, den Valentino aber in seinem Weltmeister-Stolz und Superstar-Image nicht um die Burg eingestehen will? Dabei wär´s ja durchaus legitim, dass jemand jenseits der 40 halt nicht mehr so blitzschnell reagiert, nicht mehr so leicht an oder gar über Grenzen geht, also um eine Spur weniger riskiert, was im Zehntel- und Hundertstelbereich halt gleich 10, 15 oder mehr Plätze bedeutet, die er verliert.
Ob der gute Valentino, wenn er hinten herumgurkt oder gar in vergebenen Aufholjagden auf die Schnauze fällt, immer noch so viel Spaß hat, wie er kundtut, sei dahingestellt. Sein Charisma, sein Image, sein tolles Verhältnis zu den Fans waren und sind aber ganz sicher die nötigen PS gewesen, damit sich genügend Sponsoren gefunden haben oder noch finden werden, die dem neu gegründeten Rossi-Rennstall ab 2022 finanziell kräftig unter die Arme greifen. Zurück bleibt die Frage, ob sich der Doctor nicht ins eigene Knie schießt, wenn er bei der Operation Comeback als „Spieler-Trainer“ wieder Gas geben will. Zu gewagte Schräglagen können im wahrsten Sinn des Wortes von doppelter Bedeutung sein. Schön wär´s, würde mich Valentino Rossi, Synonym für einen Außergewöhnlichen, eines Besseren belehren können.