Vor lauter Tokio-Finale, Messi-Tränen und anderen Aufregern wurde ja landauf, landab fast darauf vergessen, dass eine der größten Tennis-Ikonen aller Zeiten am Sonntag, den 8. 8., einen runden Geburtstag gefeiert hat. Jawohl, Roger Federer wurde 40 mitten in einer der immer häufigeren Verletzungspausen. Natürlich nicht mehr ganz der alte mit 40 Jährchen auf dem Buckel, aber immer noch Top 10 auf der Welt, immer noch im Achtelfinale von Paris und im Viertelfinale von Wimbledon, seinem zweiten Wohnzimmer – und wenn es das Knie zulässt, nach den Absagen für Tokio, Toronto und Cincinnati bei den US-Open wieder und eher dabei als unser aller Dominic, der Titelverteidiger. Ja, Roger Federer beginnt an das Perpetuum Mobile im Tennis zu erinnern, das seit mehr als zwei Jahrzehnten immer wieder kommt.
Als der Baselbieter, Sohn eines Schweizers und einer Südafrikanerin, vor 23 Jahren als Junioren-Wimbledonsieger die Szene berat, da hat noch ein Thomas Muster gespielt, da gab´s das große US-Duell zwischen Pete Sampras und Andre Agassi, waren Russen wie Kafelnikow und Safin, die Spanier (auf Sand) mit Moya, Ferrero, Corretja und Costa, die Australier mit Rafter und Hewitt, ein alter Ivanisevic und der elegante Henman die Männer, die für Schlagzeilen sorgten – und Nadal und Djokovic noch im embryonalen Status guter Tennishoffnung.
Alles Roger: Federer als Grand-Slam-Rekordler und als 17-Jähriger, oft zorniger Junioren-Wimbledonsieger
Wer den Federer von heute, mit Mirka Vavrinec verheirateter Vater von einem Zwilling-Doppelpack, als Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle bewundert, der erinnert sich als jahrelanger Betrachter der Szene an einen anderen Roger. An das Zornbinkerl eines Teenagers und Jung-Twens, das einst Schläger warf, Schimpfkanonaden von sich ließ, Gott und die Welt verfluchte, wenn´s nicht lief, wie es sich alles ausgemalt hatte. Ja, so war´s, ehe ein Schicksalsschlag ihn und sein Tennisleben veränderte – der Unfalltod seines Jugendtrainers Peter Carter, dem er 20 Jahre danach noch dankt für die fabelhafte technische Ausbildung. Federer warf keine Rackets mehr, schoss keine Bälle mehr in die Luft, kassierte keine Strafen mehr, sondern bündelte unter dem schwedischen Coach Peter Lundgren alle Emotionen im und fürs Tennis. Dazu kam Mirka, die sein Leben samt seinen Terminen ordnete.
So schlüpfte aus dem Megatalent, das alle Schläge beherrschte, aber erst lernen musste, sie im richtigen Moment auszupacken, der erste Tennisspieler, der 20 Grand-Slam-Titel gewinnen und auch Pete Sampras in Wimbledon übertrumpfen konnte. Kurzum, aus dem einst rotzigen Buben wurde der weltweit beliebteste, populärste und erfolgreichste Grandseigneur seines Sports, dem er – anders als der erfolgsbesessene Djokovic, anders als der nimmermüde Nadal – mit der Leichtigkeit des Seins seinen Stempel aufdrückte. Roger Federer war und ist ein Unikat und angesichts der Entwicklung wohl auch ein Auslaufmodell als einer der allerletzten Vertreter eines Gentleman-Sports.
Darum wär´s schön, würde er zumindest noch das eine oder andere Jährchen anhängen. Und wenn nicht anders, dann womöglich als Doppelspieler, der ja bewiesen hat, dass er auch da ein wahrlich goldenes Händchen hat. Mit Stan the Man Wawrinka hat der 20malige-Grand-Slam- und 103malige Turniersieger nämlich in Peking jenen Olympiasieg gefeiert, der ihm als einer der größten Olympiafans und Schweizer Fahnenträger im Einzel leider versagt geblieben ist. Und 2024 und Paris sind halt doch weit weg. Trotzdem sei gesagt: Ad multos annos, Roger!