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Nadal steht mit Medwedew einer im Weg, der weiß, wie man ganz Großes gewinnt

Das unverwüstliche, legendäre Perpetuum Mobile namens Rafael Nadal, 35, greift im Finale der Australian Open nach dem 21. Grand-Slam-Rekordtitel, den auch Nemesis Novak Djokovic im Visier gehabt hätte, wäre er nicht – auch aus eigenem Verschulden – aus Melbourne abgeschoben worden. Dem Spanier aus Manacor auf Mallorca steht mit dem Russen Daniil Medwedew ein Gegner im Wege, der zehn Jahre jünger ist, als Kontrastprogramm zum muskulös-athletischen Nadal fast leptosom-unsportlich und – sofern er nicht hin und wieder emotional ausrastet – bisweilen sogar teilnahmslos wirkt.

Anders als im Viertelfinale gegen den Russo-Kanadier Shapovalov und im Semifinale gegen den Italiener Berrettini bekommt es der 20fache Grand-Slam-Sieger bei Medwedew mit einem Finalgegner zu tun, der zwar erst ein Zwanzigstel an Grand-Slam-Trophäen auf dem Konto hat, aber mit dem US-Open-Triumph in New York gegen den „Djoker“ die Angst des Außenseiters vor dem Favoriten abgelegt hat. Andersrum gesagt: Medwedew hat seine Lektionen aus Semifinal- und Final-Niederlagen in Grand-Slams so gut gelernt, dass er schlussendlich wusste, wie man gewinnt. – und es in Melbourne zweimal en Suite gezeigt hat gegen Auger-Aliassime und Tsitsipas. Wer wie der Russe das kann, der gehört zu einer eigenen Kategorie. Auch Andy Murray hatte schon als ewiger Verlierer wie die Landsleute Henman oder Rusedski gegolten, ehe er das Stigma abstreifte, um selbst zu einer Grand-Slam- und Olympia-Größe zu werden.

Damit bin ich bei einem Phänomen angelangt, mit dem wir kürzlich auch mit Karl Schranz, als dreifacher Weltmeister, zweifacher Weltcupsieger, sechsfacher Kitz-Sieger und olympischer „Märtyrer“ anno 1972 als einer der besten Skirennläufer aller Zeiten an einem (Sportler)-Stammtisch in der Champions Bar des Marriott Hotels diskutiert haben. Phänomene sind, wie der Name schon sagt, als Schein oder Erscheinung schwer zu enträtseln, es aber trotzdem wert, nach Erklärungen für sie zu suchen. Und dazu gehört, wie ich finde, der spezielle Nimbus einer gewissen Unverwundbarkeit dann, wenn es um alles geht. Dazu gehört die Aura des Vielfachsiegers, der mit dem Rücken zur Wand, aber im Bewusstsein seiner Klasse mentale Stärke und größtes Können ausspielt – ob bei einem Breakball, bei einem Satz- oder gar bei einem oder mehreren Matchbällen. Es ist, um das trivial zu formulieren, die unsichtbare Macht des Mächtigen, die den langlebigen Giganten der Szene als Schutzschild dient, an dem ihre Herausforderer auch deshalb immer wieder zerbrechen, weil sie sozusagen übers eigene Ziel schießen. Der Beispiele, dass dem immer wieder so ist nicht nur im Tennis, sondern im Sport, gibt es jedenfalls genug, die Zahl der Ewigen Zweiten und verhinderten ganz Großen ist Legion.

Um ans Fachsimpeln mit Schranz anzuknüpfen, sei daran erinnert, dass er zwar schon als Teenager erste Siege gefeiert hat, aber erst nach sechs Jahren und vielen Lektionen erstmals (Doppel)-Weltmeister wurde. Und je älter er wurde, umso mehr wuchsen zum einen die Aura, die ihn umgab, zum anderen auch der Respekt vor einem Evergreen, der – ähnlich wie die Tennisgiganten Nadal, Federer und natürlich auch Djokovic – mehr als nur eine Generation an Gegnern distanzierte, bis höhere IOC-Macht den Weg für Nachfolger freigab. Ich bin schon gespannt, wie sich das Finale zwischen der nimmermüden Rossnatur und der oft phlegmatischen Gleichgültigkeit in Person entwickelt. Eines bin ich mir sicher: Einer wie Medwedew wird kaum wie das Kaninchen vor der Schlange erstarren…

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