Allgemein

Olympia 2022: Medaillen gewinnen ist immer noch schwerer als Flops zu verhindern

Als olympischer Routinier mit leidvoller Sarajevo-Erfahrung hat meine Wenigkeit auch in diesem Blog schon vor einigen Wochen vor allzu übertriebenen Erwartungen und amerikanischen Fernprognosen gewarnt. Wer vorweg von Medaillensegen spricht, kann leicht den olympischen Fluch provozieren. Gott sei´s gedankt, dass uns kein zweites 84er-Debakel mehr blühen kann nach vier Medaillen an den ersten drei Tagen, neben den beiden Silbernen der beiden Stehaufmännchen auch das Langlauf- und das Abfahrtsbronze des „Mottl“ Mayer, dem nur 16 Hundertstel auf einen Olympia-Hattrick fehlten – einen, den er womöglich im Super G noch nachholen kann, wenn alles zusammenpasst.

Ja, es gab auch wieder einen Grund zum Jubeln, andererseits gefror Rotweißrot weniger der Eiseskälte, sondern gleich einiger Peking-Enten wegen am dritten Wettkampftag das Lächeln im Gesicht. Auch wenn der vierte Platz von Kathi Truppe im extrem schweren Riesenslalom die bescheidenen Erwartungen übertraf, so muss die Kärntner Bauerntochter die acht Hundertstel verflucht haben, deretwegen sie als Halbzeitzweite schlussendlich die Blechtrommel rühren musste. Ganz zu schweigen von der Talfahrt der Doppelweltmeisterin Katharina Liensberger, die nicht über Platz 15 hinauskam. Eine weitere bittere Pille für die ÖSV-Alpindamen, die sich mit wenigen Ausnahmen in einer beängstigenden Abwärtsspirale befinden.

Volltreffer? Fehlanzeige! Biathlonweltmeisterin Lisa Theresa Hauser hatte im 15km-Rennen das Visier wie schon in der Mixed-Staffel wieder ganz schlecht eingestellt – und verpasste mit drei Fehlern (3 Strafminuten) als Siebzehnte einen Spitzenplatz. Und wer gehofft hatte, dass die vierfache Rodel-Saisonsiegerin und EM-Dritte Madeleine Egle nach durchwachsenem Training im Eiskanal die schnellste Linie finden würde, saß einem Irrtum auf. Statt das deutsche Trio mit Mehrfach-Olympiasiegerin Geisenberger vom Thron zu holen, stolperte Egle selbst schon im ersten von vier Läufen über einen Ausrutscher. Dass auch die deutsche Rivalin Julia Taubitz einen Bock schoss, das war nur ein bisschen Balsam auf die Wunden der Tirolerin.

Immerhin schob sie sich mit einer tollen zweiten Fahrt wieder an die Spitze heran, die besseren Medaillenchancen aber haben mit der Präsidenten- und Legendentochter Hannah Prock sowie Lisa Schulte die noch jüngeren Semester. Ob aber sie mental stärker sind als Madeleine, mit der die Nerven sozusagen Schlitten gefahren waren, das werden die beiden Finalläufe zeigen (müssen). Noch ist ja nicht aller Tage Abend für die Damen – für den Doppelsitzer Müller-Frauscher aber ist das Abenteuer Olympia schon vor dem Rennen vorbei. Yannick Müller zog sich im Training einen Armbruch zu – Kuss von der Bande nach dem Ziel!

Der absolute, aber offenbar schon ganz normale Wahnsinn spielte sich im neuen olympischen Mixed-Teambewerb auf der Schanze ab, wo es nur so vor Anzugs- und Material-Disqualifikationen regnete. Mittendrin und trotz der Disqualifikation des ersten Iraschko-Stolz-Sprunges doch im Finale dabei auch Österreich – im Gegensatz zu den Deutschen, deren Trumpf Katharina Althaus, die Olympiazweite, ebenfalls disqualifiziert wurde. Unser Medaillentraum blieb nichtsdestotrotz eine Illusion, unter nicht mehr als 10 Teams landete Österreich nur auf Platz 5. Eine mittlere Katastrophe.

Den totalen Flop hingegen baute der Teenager Matej Svancer, 17, als vermeintlicher Golddukaten eingebürgert, der heuer beide Weltcups gewonnen hatte. Ob Olympia-Nervosität oder einfach schlechter Tag und falsche Selbsteinschätzung, Svancer riskierte schon in der Qualifikation einen Sprung, den nur er selbst in Topform beherrschte, am Tag aber, an dem alles schieflief, bezahlte er den Wage- oder Übermut mit einer Bruchlandung. Und damit waren alle Träume schon ausgeträumt, bevor alles begonnen hatte. Projekte Medaillen zu gewinnen ist immer noch schwerer als Flops zu verhindern.

Ob bei diesem Salto rückwärts auch Querelen um den Vertrag mit dem ÖSV zumindest un- und unterbewusst eine Rolle gespielt haben könnte, darüber kann man höchstens spekulieren. Dieser Zwist oder Ritt hat Svancer, dem ÖSV und dem ÖOC jedenfalls nicht in den Sattel des Erfolges verholfen. Der dritte Tag in Peking jedenfalls war so etwas wie ein Wahrzeichen oder Alarmsignal, das Fell des Bären nicht zu verkaufen, bevor eben dieser erlegt ist. Wer´s trotzdem macht, darf sich über Kehrseiten von Medaillen nicht wundern.

Zum Kommentieren hier klicken

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Meist gelesen

To Top

Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen ein angenehmeres Surfen zu ermöglichen