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Verschwiegener Golden Boy von Vorgestern sieht interessante Kunstlaufaspekte

Es ist heute 54 Jahre her, dass Österreich die letzte von vielen olympischen Eiskunstlauf-Goldenen bei den Herren gewonnen hat. Nicht Emmi Danzer war´s, der vierfache Europameister und nachmalige dreifache Weltmeister, die Eleganz in Person. Sie verfing sich im damals obligaten Pflicht-Schlingenparagraphen und stolperte trotz glanzvoller, umjubelter Kür und gellenden Pfiffen für die Jury über seinen 3 1/2 Jahre jüngeren Wiener Trainingspartner Wolfgang Schwarz, den er davor 17mal besiegt hatte, auch bei der WM 67 in Wien und der EM in Grenoble, dem Olympia-Schauplatz.

Vom Silberbuben im Danzer-Schatten zum Golden Boy von Grenoble 1968: Eislaufolympionike Wolfgang Schwarz.

Wie das Leben beider verlaufen ist, soll und darf nach der verbüsssten Haftstrafe für Wolfgang, quasi das „schwarze Schaf“ des Kunstlaufs, kein Thema mehr sein. Der Olympiasieger von 1968, spätere Show-Profi und Vater eines großen Tennistalents, das nicht ganz hielt, was man sich versprochen hatte, ist nur noch interessierter Konsument, was den Eiskunstlauf betrifft, der sich seit seinem Gold im wahrsten Sinn des Wortes sprunghaft weiterentwickelt hat. Aus den ein oder zwei Dreifachen einer oder zwei Versionen, die Emmi und Wolfi schon damals bombensicher aufs Eis stellten, sind längst Vierfache in den schwierigsten Varianten geworden, ganz so, als könnte man sie aus den Beinen schütteln.

Podest-Trio aus Japan oder Amerika mit fernöstlichen Wurzeln: Uno (Jp, 3.), Chen (USA, 1.), Kagiyama (Jp, 2.).

Wer aber sind dabei, sieht man von Russen/innen ab, die Medaillen-Protagonisten? Artistische Eiskünstler aus Fernost oder Amerikaner mit fernöstlichen, chinesischen, japanischen oder koreanischen Wurzeln wie etwa der US-Olympiasieger Chen – und zwei weitere am Podest, vier unter den Top 5, sechs unter den Top 9! Ein Trend, der unübersehbar ist und den Olympiasieger 1968 an seine erste Europameisterschaft (1964) als damals 16jähriger mit Platz 7 in seiner goldenen Schicksalsstadt Grenoble erinnerte. „Damals“, kramt Schwarz in der Vergangenheit, die 54 Jahre zurückliegt, „damals sind erstmals die Japaner mit einem Film- und Betreuerteam aufgetaucht, haben alles aufgenommen im Training und im Wettkampf!“ Und da die Söhne und Töchter Nippons – wie Chinesen und Koreaner – bekanntermaßen zu den allerbesten Kopierspezialisten zählen, haben sie sozusagen von der Pike auf das Eis für große Sprünge und spektakuläre Höhenflüge, für eine Menge an Gold und viele Titel bereitet.

Wobei die Kopie der Originale natürlich nicht genügt hat. Vielmehr sind es mehrere Komponenten, weshalb just die fernöstlichen Eisläufer(innen) geradezu prädestiniert sind für dieses glatte sportliche Parkett. „Ich glaube, dass sie auch genetische Vorteile haben“, vermutet Schwarz, dem man den (Durch-)Blick fürs Wesentliche im Eiskunstlauf sicher nicht absprechen kann. Körperbau, Knochenkonsistenz und Fliegengewicht mögen tatsächlich vor allem bei den Herren, mitunter aber auch bei den Damen oder besser: Mädchen, wesentlich dazu beitragen, dass sie im Vergleich zu den meisten Konkurrenten sozusagen Sprungphänomene sind. Und als weitere Faktoren dürften wohl eine offensichtlich in diesen Ländern stärkere familiäre Unterstützung bzw. staatliche Förderung von Kindesbeinen an ebenso eine Rolle spielen wie verordnete oder angelernte Selbstdisziplin, die angesichts des enormen Trainingspensums vonnöten ist.

Ob all die Eindrücke, die Schwarz sammelt, und die daraus resultierenden Anregungen je die Aufmerksamkeit der aktuellen Führungsriege im heimischen Eiskunstlaufen erregen oder eher als Zurufe eines Unerwünschten auf taube Ohren stoßen, möchte ich nicht auf die Waage legen. Unumstößliches Faktum allerdings bleibt, dass Wolfi Schwarz zum Leidwesen seines Kumpels Emmi Danzer vor 54 Jahren die letzte olympische Herren-Goldmedaille gewann. Vier Jahre vor der letzten für die Damen durch Beatrix „Trixi“ Schuba, die heuer ihr 50er-Jubiläum feiert. Und 40 Jahre nach dem letzten EM-Gold, das Claudia Kristofics-Binder ebenso wie WM-Silber geholt hat. Inzwischen sind wir, wenn wir nicht gerade Import-Österreicherinnen holen, als Großmacht von Vorgestern dort angelangt, wo die Japaner vor 58 Jahren in Grenoble die Eislauf-Kinderschuhe angezogen hatten, um den Gold-Weg einzuschlagen.

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