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Alcaraz-Triumph war mehr als eine Dolchstoßlegende rund um Sascha Zverev

Um keine falschen Vermutungen aufkommen zu lassen, möchte ich vorweg betonen, welch außergewöhnlicher Tennisspieler mit außergewöhnlichen Schlägen, außergewöhnlicher Schnellkraft, außergewöhnlicher Laufstärke und für sein Alter außergewöhnlicher Cleverness der 21jährige Carlos Alcaraz als Sieger eines finalen French-Open-Dramas ist, mit dem er seinen dritten Grand-Slam-Titel holte. Wenn von Drama die Rede ist, dann stimmt´s insofern, weil es in mehr als vier Stunden am Chatrier-Center-Court einige dramatische Wendungen und auch umstrittene Szenen mit mehr als strittigen Entscheidungen gab, die Schiedsrichter Renaud Lichtenstein traf.

Vor allem jene im 5. Satz, als er nach langer Inspektion samt Diskussion über den Abdruck eines Alcaraz-Aufschlags die Doppelfehler-Entscheidung korrigierte und damit das vermeintliche Zverev-Rebreak zum 2:2 aufhob. Dass die aber in Roland Garros nur fürs Fernsehen, nicht aber für den Referee gültige Hawk-Eye-Hi-Tech im nach hinein bestätigte, dass der Ball knapp out und damit ein Re-Break geschafft gewesen wäre, war für Zverev doppelt bitter, weil die Fehlentscheidung so etwas wie beim Boxen ein Schlag in die Magengrube war, bei dem der ganze Körper wackelt. Was hätte sein können, welch Kräfte wie schon im dritten Satz der geschlauchte Zverev doch noch im Overdrive mobilisieren hätte können, das ist nichts als Spekulation. Konjunktiv, den die Realität weggewischt hat, auch wenn die Frankfurter Allgemeine von einem Schwergewichtsduell schrieb.

Es hat schon was von einer Dolchstoßlegende an sich gehabt, aber den Dolch im Gewande, um literarisch zu werden, hat nicht nur Renaud Lichtenstein geführt, nicht nur der um einen halben Kopf kleinere Carlito mit seiner messerscharfen Klinge, seinen knallharten Retourkutschen oder wenn nötig und möglich, auch drallig-drolligen Mondbällen, mit denen der viel größere Sascha wenig bis nichts anfangen konnte. Mich persönlich verblüfft´s bei allem Respekt vor Klasse und Können des Alexander Zverev, warum ein körperlich fast zwei Meter großer und trotzdem so beweglicher und schneller Spieler so sehr an der Linie klebt und sich in endlos lange Ballwechsel mit einem der ballsichersten Spieler verwickeln lässt statt mit präzisen ersten Aufschlägen möglichst schneller Offensive und effizienten Netzattacken die Ballwechsel sowohl zu verkürzen als auch zu punkten versucht.

Ich gebe da nur wieder, was viele Altprofis kritisieren, dass vor lauter Grundlinien-Peitschenschlägen das Spiel am Netz in den vergangenen Jahren ganz schön vernachlässigt wurde. Auch und gerade bei großgewachsenen Spielern, die mit dem Service aus dem ersten Stock sich mehr Vorteile zu ebener Erd´ verschaffen können sollten oder müssten. Oder andersrum gesagt: Zverev hat über die strittige, seinen Widerstand brechende Entscheidung hinaus auch deshalb verloren, weil er Carlos Alcaraz mit dessen unübertrefflichen Waffen hat schlagen wollen, was vor allem, je länger es geht, immer schwerer bis kaum möglich ward. Best-of-5 war ja dem Sascha aus Hamburg schon 2020 in New York zum Wohle, Glück und Triumph von Dominic Thiem zum Verhängnis geworden. Jetzt gab´s das Deja vu mit Perdu a Paris…

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